Unsere Studierenden Lilja Heiderich und Anna Samusch haben dieses Jahr das Filmfestival Nippon Connection besucht. Hier teilen sie ihre Eindrücke rund um das Event und ihre Erfahrung mit dem Filmuntertitelungsprojekt.
Die Nippon Connection ist das Film-Festival für japanischen Film. Sie fand vom 28. Mai bis zum 2. Juni 2024 in Frankfurt statt und wir (Lilja Heiderich und Anna Samusch) hatten die Möglichkeit, dieses Festival als studentische Vertreterinnen zu besuchen.
Diese Gelegenheit ergab sich, da wir im Rahmen des Untertitelkurses von Frau Dr. Oberwinkler mit der JVTA (Japan Visualmedia Translation Academy) einen Film übersetzt haben, der auf der Nippon Connection gezeigt wurde. Von Anfang April bis Mitte Mai übersetzten wir gemeinsam mit ca. 20 weiteren Kommiliton*innen den Kurzfilm うらぼんえ ( urabon e, eng. The Bon Festival). Der Film handelt von einem Künstler, dessen Sohn verstorben ist. Zentrale Themen sind Loslassen und Erlösung. Für das Übersetzungsprojekt wurde der Film in vier Abschnitte aufgeteilt, die dann jeweils von uns in Gruppen von 5-6 Personen übersetzt wurden. Dabei hatten wir für einen Filmabschnitt zwei Wochen Zeit, bis wir die Übersetzung in einer Online-Sitzung besprachen. Eine Neuerung dieses Jahr war das Rotationssystem: Nach den Online-Sitzungen rotierte jede Gruppe zum nächsten Filmabschnitt, der bereits von einer anderen Gruppe übersetzt worden war. Dieses Vorgehen fanden wir persönlich sehr gut, da so Gruppen mit einem frischen Blickwinkel, noch fehlerhafte Übersetzungen von anderen Gruppen überarbeiten bzw. ihre Arbeiten verbessern konnten. Außerdem führte dieses Vorgehen dazu, dass jede*r Einzelne alle Filmabschnitte übersetzen konnte, was den positiven Effekt hatte, dass die Übersetzungen automatisch ziemlich einheitlich wurden.
Bild: Anna Samusch
Der Untertitelungskurs wird einmal im Jahr angeboten und kann von allen Studierenden des Instituts Modernes Japan belegt werden.
Unsere Eindrücke von der Nippon Connection
Freitagmorgen kamen wir in Frankfurt an und konnten uns direkt unsere Filmmaker-Ausweise und die Schlüssel zur Unterkunft abholen.
Die Nippon Connection hat uns in einer privaten Unterkunft, ähnlich einem Airbnb, untergebracht, die etwa eine halbe Stunde von den beiden Hauptkinos entfernt lag. Von dort aus ging es direkt zu den ersten Veranstaltungen des Festivals.
Ein Highlight bestand aus dem Career Talk, der in diesem Jahr in die zweite Runde ging. Diese Veranstaltung war besonders interessant für uns MoJa-Studierende und wurde von der Geschäftsführerin des Deutsch-Japanischen Wirtschaftskreises (DJW), Anne Pomsel, moderiert.
Es gab vier Gäste, die ihre Erfahrungen und Karrierewege teilten:
- Björn Eichstädt, Managing Partner, Storymaker GmbH (Technologiekommunikationsunternehmen)
- Esther Gödecke, Manager HR & General Affairs, OILES Deutschland GmbH (Industrie)
- Christopher Hecker, Direktor, Deutscher Pavillon EXPO 2025 Osaka (Weltausstellung)
- Steffi Körner, Geschäftsführerin, ADENI Recruitment Agency (Personalvermittlung)
Einige der Gäste hatten Japanologie als Haupt- oder Nebenfach studiert und berichteten über ihre Studienpraktika und den Übergang in berufliche Positionen mit Japanbezug.
Bild: Anna Samusch
Die Diskussion war bereichernd und bot wertvolle Einblicke in verschiedene Karrierewege. Besonders spannend waren dabei die Ausführungen der Referent*innen, die trotz unterschiedlichster Branchen ihre Arbeit übereinstimmend als Akt des „kulturellen Brückenbauens“ zwischen japanischen und ausländischen Unternehmen beschrieben. Im Anschluss an die Diskussion gab es allgemeine Informationen über Berufsfelder für Japanolog*innen und Aufenthalte in Japan. Unter anderem berichtete einer der Referenten von einem freiwilligen-sozialen Jahr, das er in Japan in einem buddhistischen Tempel absolviert hatte. Besonders erfreulich war, dass man den Gäst*innen Fragen stellen konnte und sie nach dem Vortrag im Raum blieben, sodass man sich noch weiter mit ihnen unterhalten konnte. Vor allem für fortgeschrittene Japanologie-Studierende war der Talk bereichernd, da insbesondere die Geschäftsführerin von ADENI wertvolle Tipps zum Bewerben und Networking gab. Für uns persönlich lag der Fokus jedoch etwas zu stark auf dem Werdegang, wodurch weniger Zeit blieb, um zu besprechen, wie die Gäste genau in ihrem Job Japanbezogen arbeiten. Dieser Aspekt hätte uns auch sehr interessiert.
Darüber hinaus haben wir zahlreiche Filme gesehen. Neben den Filmen „missing“ und „Ripples“, zu denen ihr Rezensionen auf der Instagram-Seite des Instituts für Modernes Japan finden könnt, hat uns besonders „Arirang Rhapsody“ beeindruckt.
Bild: Kimoon Film
„Arirang Rhapsody“ ist ein Dokumentarfilm über die erste Generation von Zainichi Koreanerinnen , die während der japanischen Kolonialisierung Koreas nach Japan kamen oder gebracht wurden. Heutzutage versteht man unter dem Begriff Zainichi-Koreaner*innen, die koreanische Minderheit in Japan, die teils ohne japanische Staatbürgerschaft in Japan lebt und Diskriminierung ausgesetzt ist. Der Film konzentriert sich besonders auf koreanische Frauen, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht nach Korea zurückkehren konnten. Regisseur Sungwoong Kim hat über zwei Jahrzehnte hinweg die Protagonistinnen begleitet und lässt sie als Zeitzeuginnen von ihren Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg und der bis heute andauernden Diskriminierung in Japan berichten. Der Film ist sehr beeindruckend und bewegend. Obwohl man merkt, dass versucht wurde, über 20 Jahre Filmmaterial unterzubringen und der Film daher etwas lang ist, kam trotzdem das Gefühl auf, dass jede Szene von großer Bedeutung war. Besonders eindrucksvoll war die Szene der Anti-Kriegs Demonstration (siehe Bild), in der sich die Protagonistinnen trotz ihres hohen Alterszusammenschlossen, um sich offen gegen Krieg auszusprechen. Dabei trugen viele symbolisch Hanbok, ein traditionelles koreanisches Gewand. Nach dem Film gab es ein Q&A mit dem Regisseur und wir hatten auch die Gelegenheit uns nach dem Screening mit ihm auszutauschen. Er berichtete das Aspekte der koreanischen Kultur wie Essen oder K-Pop mittlerweile deutlich positiver in Japan wahrgenommen werden würden. Jedoch sei die Auseinandersetzung mit der Kultur und der gemeinsamen Geschichte sehr oberflächlich und zu unkritisch.
Neben den Vorträgen und Filmen gibt es auch in den Pausen genug zu entdecken. Bei den zwei größten Locations des Festivals, welche dicht beieinander liegen, befindet sich eine Vielzahl an Ständen mit japanischem Essen, Trinken und weiteren kulturellen Eindrücken. So gibt es beispielsweise Sake und Matcha Geschmacksproben, ukiyo-e Poster (Genre des Holzschnittes und der Malerei in Japan, insbes. 17.-19. Jahrhundert) oder diese als Motiv auf furoshiki (Tuch, welches ursprünglich zur Verpackung und als Beutel verwendet wurde) zu .
Auffällig ist, dass Produkte der japanischen Popkultur nicht im Vordergrund der Nippon Connection standen. Stände von Nintendo mit der Möglichkeit zum Probespielen der Nintendo Switch bildeten eher eine Ausnahme. Der Fokus wurde vielmehr auf traditionelle japanische Gegenstände gelegt.
Bei der Podiumsdiskussion zum diesjährigen Thema der Nippon Connection, „Crossing Borders“, wurde offen über die Problempunkte der japanischen Filmindustrie gesprochen. Hierbei führte der Literaturübersetzer Luk Van Haute seine drei Gäste Eric Nyari, Stephan Holl und Emi Ueyama durch das Gespräch. Sie alle arbeiten als Filmproduzent*innen im Zusammenhang mit japanischen Filmen und konnten somit spannende Einblicke geben. Während der Diskussion wurde auch über die Bedeutung des Themas „Crossing Borders“ gesprochen, welche in diesem Kontext vor allem auf die Co-Produktionen zwischen mehreren Ländern bezogen wurde, wozu auch unser Untertitelungsprojekt zählt. Internationale Film-Projekte zwischen Japan und anderen Ländern nahmen besonders während der Bubble-Economy in den 1990ern stark zu, als viele japanische Unternehmen US-amerikanische Filmstudios kauften. In den folgenden Jahren blieben japanische Filme jedoch weit hinter asiatischen Konkurrenten. Der Oscar prämierte koreanische Film „Parasite“ von 2019 habe aber die japanische Filmindustrie wachgerüttelt und gezeigt, welches Potential in internationalen Produktionen stecke, so Nyari.
Doch auch fünf Jahre später gäbe es noch viele Problempunkte in der Industrie: Ueyama zufolge sei die Kollaboration mit japanischen Produktionsfirmen teilweise trotz namhafter Schauspieler*innen schwierig. Außerdem gäbe es einen strengen und komplizierten Zeitplan, welcher die Dreharbeiten erschwere. Holl fügte hinzu, dass japanische Produktionsfirmen eine schnelle Produktion gegenüber einem größeren Budget bevorzugen. Interessant ist auch, dass normalerweise keine Proben mit japanischen Darsteller*innen stattfänden, da die Agenturen dies untersagen. So sei ein japanisches Filmset sehr auf Effizienz ausgelegt und biete kaum Möglichkeit für Kreativität oder Innovation, erklärte Nyari. Weiter seien die Gehälter für Schauspieler*innen und Crew in Japan vergleichsweise niedrig, was schlichtweg einen anderen Qualitätsstandard als in anderen Ländern bedeute, gleichzeitig biete dies aber einen potentiellen Anreiz für ausländische Regisseur*innen. Diese tendieren jedoch zu einer romantisierten Darstellung Japans mit dem Fokus auf stereotypische Aspekte der japanischen Kultur, so Nyari. Abschließend betonte Ueyama die Not für mehr Bildung für junge Filmemacher*innen, insbesondere in Hinblick auf Zusammenarbeit mit dem Ausland, da es an Erfahrung, Sicherheit und Sprachkenntnissen mangele.
Foto: Lilja Heiderich
Nach diesem interessanten Einblick in die japanische Filmindustrie war es an der Zeit, uns unserem eigenen Projekt zuzuwenden. Hierzu stand zunächst ein kurzes Interview mit einer Praktikantin der JVTA an. Zusammen mit den beiden Studentinnen der Universität Gent wurden uns einige Fragen zum Übersetzungsprozess für den jeweiligen Kurzfilm gestellt. Der Austausch mit ihnen während, aber auch nach dem Interview, war für uns sehr bereichernd, da sie eine andere Herangehensweise an den Übersetzungsprozess hatten: Ihr Kurs wurde in mehrere und dafür kleinere Gruppen unterteilt, dazu hatten sie den zu übersetzenden Teil des Films nicht gewechselt. Stattdessen sind bis auf ein Mitglied einer Gruppe zeitweise alle in andere Gruppen gegangen, um eine frische Perspektive bei etwaigen Problemfragen zu bieten oder eigene Ideen einzubringen. Wir waren uns allerdings einig, dass uns eine stetige Rotation wie in unserem Kurs besser gefällt, da so alle die frische Perspektive beibehalten. Bei dem Interview selbst ging es um den Prozess des Untertitelns und was uns schwer und was uns leicht fiel. Beispielsweise war es eine größere Herausforderung als gedacht, sich innerhalb einer Gruppe auf eine Version zu einigen, da es teilweise so viele Übersetzungen wie Mitglieder gab. Außerdem wurden wir gefragt, ob wir uns vorstellen könnten , noch einmal an einer Übersetzung dieser Art teilzunehmen, was wir alle bejahten, da uns der gesamte Prozess und nicht zuletzt auch die Nippon Connection große Freude bereitet haben.
Der für uns größte Programmpunkt stand allerdings noch an: Das Screening unserer Kurzfilme. Vorgesehen war außerdem ein Filmgespräch auf der Bühne, bei dem ein Mitarbeiter der Nippon Connection mit uns über unsere Erfahrungen beim Projekt sprechen sollte. Dies wurde aber, wie uns kurz vor dem Screening mitgeteilt wurde, aus Zeitgründen abgesagt. Stattdessen hatten wir die Möglichkeit, vorher kurz etwas zu uns und zu unserer Arbeit zu sagen. So berichteten wir, ähnlich wie im Interview, kurz von Schwierigkeiten und interessanten Aspekten der Übersetzungsarbeit.
Foto: Kaho Sakakibara
Das Screening startete mit dem Kurzfilm „See You Next Week“ (orig. また来週) der Universität Gent, in welchem es um die Schauspielambitionen einer Oberschülerin geht, die zunehmend den Bezug zur Realität verliert. Den von uns untertitelten Film „The Bon Festival“ auf der Leinwand zu sehen und die Reaktion des Publikums zu erleben, war eine sehr belohnende Erfahrung. Allerdings gab es auch Anlass zur Verwunderung: Unser Film wurde in dem online verfügbarem Programm der Nippon Connection schon vor unserer Übersetzung unter dem englischen Titel „The Bon Festival“ beworben. Auch vor Ort stand der Titel so im Programm. Während unseres Kurses jedoch wurden wir immer wieder ermuntert, uns Alternativtitel zu überlegen, welche dann letzten Endes dem Regisseur vorgelegt werden sollten, damit dieser eine Entscheidung trifft. Im Film selbst wurde der Titel allerdings als „Feast of Lanterns“ übersetzt, was die erste Gruppe zu Beginn unserer Übersetzung so vorgeschlagen hat. Eventuell war dies der Favorit des Regisseurs und es konnte im Programm nicht mehr geändert werden, allerdings erschien es uns eher, als wäre es übersehen worden, was etwas schade war..
Insgesamt war die Übersetzungsarbeit im Kurs und die Nippon Connection für uns eine schöne und wertvolle Erfahrung. Sie hat uns gezeigt, wie umfangreich, aber auch belohnend so ein Prozess sein kann. Auf dem Festival waren wir umgeben von kreativen Menschen, die alle auf irgendeine Weise eine Beziehung zu Japan haben und wovon viele es zu ihrem Beruf gemacht haben. Die Einblicke in unterschiedlichste Lebenswege und Erfahrungen in der Filmbranche waren unglaublich bereichernd und in jedem Fall die Arbeit wert.
Ein Bericht von Lilja Heiderich und Anna Samusch.