Highlights, Studierendenberichte

Ein Forschungsbericht zum Japan-Tag 2023 von Tamara Dost

Im Mai dieses Jahres fand nun bereits der 20. Japan-Tag in Düsseldorf statt. Mit seinen rund 650.000 BesucherInnen aus dem In- und Ausland gehört der Japan-Tag zu den größten japanischen Kultur- und Begegnungsfesten Europas. Die Stadt Düsseldorf nimmt aufgrund der über Jahrzehnte aufgebauten wirtschaftlich engen Verflechtung zu Japan, welche sich durch die Ansiedlung vieler japanischer Unternehmen und dem daraus resultierenden Wachsen einer vor Ort lebenden japanisch-stämmigen Community entwickelte, eine besondere Rolle ein. Neben zahlreichen kulturellen Angeboten und Unterhaltungsprogrammen boten mehr als 70 Stände die Möglichkeit japanische kulinarische Speisen und Getränke sowie Merchandise aus der japanischen Populärkultur zu erwerben. Besonders die große Popularität japanischer Populärkultur gelte für viele BesucherInnen häufig als Anreiz zum Japan-Tag nach Düsseldorf zu kommen.

Da sich die KursteilnehmerInnen in dem STM-Seminar „Künstliche Kontrastwelten in Japan – Eine Annäherung an die Zusammenhänge von Raum und Konsum“ intensiv mit Konsumräumen in und um Japan, sowie der Rolle von Raum und Konsum bei der Bedeutung von sozialen Beziehungen beschäftigt haben, wurde der diesjährige Japan-Tag von den Studierenden zum Anlass genommen, um auf Basis der erworbenen theoretischen Erkenntnisse eine teilnehmende Beobachtung mit Einzelinterviews durchzuführen. Den Studierenden war es dabei freigestellt, worauf sie ihren Fokus legen möchten.

An dieser Stelle soll Ihnen der folgende Forschungsbericht von Tamara Dost Einblicke zu den Beobachtungen rund um die Feldforschung auf dem Japan-Tag geben:

Im Rahmen des Seminars “Künstliche Kontrastwelten” haben wir eine Feldforschung in Form der teilnehmenden Beobachtung am Japantag 2023 durchgeführt. Der Japantag ist ein Fest, welches seit 2002 einmal jährlich, bis auf wenige Ausnahmen, in Düsseldorf veranstaltet wird. Dabei wird an Ständen unter anderem japanisches Essen oder Merchandise aus dem Anime- und Mangabereich verkauft. Außerdem gibt es bestimmte Bereiche, wo auf Bühnen Shows oder Auftritte stattfinden können. Abgerundet wird diese Präsentation der japanischen Kultur durch ein spektakuläres Feuerwerk am Abend.

Da wir uns in dem Seminar mit Theorien der Raumbildung und des Konsumverhaltens, sowie mit dem Prinzip des Erlebens, beziehungsweise mit der Erlebniskultur in (post-)modernen Gesellschaften, auseinandersetzen, und dabei unser Hauptaugenmerk auf Japan liegt, bot sich durch den Japantag die perfekte Umgebung, um mittels einer teilnehmenden Beobachtung die Theorien anzuwenden und einen Einblick in tieferliegende Vorgänge zu bekommen.

Die teilnehmende Beobachtung beschreibt eine Methode der Datenerhebung, bei welcher sich der Beobachter mit in das Geschehen einbinden kann. Wir haben uns dazu entschieden als Beobachter als Teilnehmer auf dem Japantag unsere Untersuchungen vorzunehmen. Dies bedeutet, dass wir mit den Besuchern des Japantags interagiert haben, aber keine nähere oder längerfristige Relation zu den Akteuren, etwa den Interviewten, aufgebaut haben. Da wir selber den Japantag besucht haben, sind wir selber zu Teilnehmern der Veranstaltung geworden.

Die Grenzen der Kategorisierung der verschiedenen Typen von teilnehmender Beobachtung können, je nach Aufbau und Charakteristika des Veranstaltungsortes, miteinander verschmelzen und sich gegenseitig ergänzen. Außerdem ist es wichtig zu erwähnen, dass es sich bei der teilnehmenden Beobachtung um eine Methode der qualitativen Datenerhebung handelt. Hierbei ist die persönliche Wahrnehmung der Interviewpartner und die Geschehnisse vor Ort relevanter als bloße Statistiken und Zahlen, welche bei der quantitativen Forschung eine wichtigere Rolle spielen.

Innerhalb unserer Kleingruppen haben wir uns dazu entschlossen alleine beziehungsweise mit Freunden den Japantag zu besuchen, um möglichst viele verschiedene Eindrücke wahrnehmen und sammeln zu können. Die Beobachtungen auf dem Japantag haben damit begonnen, dass ich um 11 Uhr mit einer Gruppe von Freunden vom Hauptbahnhof aus in Richtung des Rheinufers gelaufen bin. Auf dem Weg, bei welchem man unweigerlich das Japanviertel beziehungsweise die Immermannstraße entlang geht, sind bereits verschiedene Dinge aufgefallen. Der Großteil der Personen denen wir begegnet sind waren entweder in Cosplay dort oder in Begleitung von Cosplayern. Zudem fiel mir auf, dass die sonst schon recht gut besuchten Geschäfte wie zum Beispiel Bubble Tea Läden, der Manga Mafia Laden oder der japanische Buchladen, Takagi, am Japantag einen gewaltigen Ansturm an Besuchern hatten. Entlang der Immermannstraße musste man sich regelrecht durch die Menge kämpfen, da die Warteschlangen vor den eben genannten Geschäften viel Platz auf dem Bürgersteig einnahmen.

Wir erreichten das Rheinufer ungefähr um 12 Uhr, da wir wegen der Menschen langsam vorankamen und zum Teil selbst in den Warteschlangen standen, um „asiatische Snacks“ zu kaufen. Die Menge an der Rheinuferpromenade war noch dichter als zuvor und wir versuchten in Richtung des Landtages und der dort gelegenen Brücke vorzudringen. Dabei haben wir mehrmals Halt gemacht, um entweder die Stände oder die Menschen zu bestrachten und zu beobachten. Dabei viel mir vor allem eine Gruppe von Cosplayern auf, welche die “Gaang”, also die Gruppe der Hauptcharaktere der Animationsserie “Avatar: Herr der Elemente”, verkörperten. Zunächst ist anzumerken, dass es sich bei der Serie nicht um einen Anime handelt, und uns im Laufe des Tages noch viele andere Menschen begegnet sind, die sich in ihrer Kleidung, Expression oder Kostümierung nicht nur auf Japan oder Anime beschränkt haben. Besonders interessant zu beobachten war, dass die Gruppe an Cosplayern zum einen selbst am Japantag als Besucher teilnahmen, aber gleichzeitig zu einer Attraktion geworden sind, welche in diesem Zusammenhang zu einem Konsumgut für andere Besucher wurde, da sich die Gruppe längere Zeit an der gleichen Stelle aufgehalten und dabei posierend für Fotografien Model gestanden hat. In diesem Interaktionsraum haben die Fotografierenden die Gruppe als eine Attraktion, im besten Sinne, wahrgenommen, während die Gruppe die Aufmerksamkeit und Faszination der Zuschauer als Gegenleistung erhielten. Es kam hierbei also zu einem Konsum beider Seiten, der für mich zunächst unerwartet war, da ich, erst als ich selber auch als Zuschauer der Szene beiwohnte, den wechselseitigen Konsum verstehen konnte.

Um ungefähr 14 Uhr, weiterhin auf dem Weg zum Landtag trafen wir auf einige Personen, die mit Freunden von meinen Freunden zusammen zum Japantag gegangen waren, und ich nutzte die Gelegenheit für ein Interview. Meine Interviewpartnerin, Alina, beantwortete mir bereitwillig alle gestellten Fragen.

“Wie alt bist du? – Ich bin jetzt zwanzig, aber werde bald einundzwanzig.” “Okay, und was machst du beruflich? – Also ich studiere momentan Objekt- und Raumdesign in Dortmund.”

“Was führt dich denn zum Japantag? Hast du einen bestimmten Bezug zu Japan? – Ich bin eigentlich nur hier, um mich mit Freunden zu treffen und weil sich so ein Fest ganz gut anbietet sich mal wieder zu sehen. Aber so einen direkten Japanbezug habe ich jetzt nicht wirklich. Meine beste Freundin ist zwar sehr Anime-begeistert, aber ich habe da nicht so viel Eigeninteresse.“

“Warst du schonmal beim Japantag? – Ja, das war glaube ich vor drei Jahren. Da war ich auch mit meinen Freunden hier.”

“Hast du irgendetwas, worauf du dich heute am meisten freust? – Eigentlich hauptsächlich meine Freunde. Oh, und das Feuerwerk natürlich. Ich hoffe, ich kann dieses Mal bis zum Ende dableiben.”

“Das Feuerwerk ist tatsächlich sehr beeindruckend. Gab es heute schon ein besonderes Erlebnis, was dir besonders wichtig ist? – Es ist zwar nicht besonders wichtig, aber es hat mich überrascht, dass es vorhin einen random Kpop dance gab. Damit hatte ich irgendwie nicht gerechnet. Ich dachte es wäre heute wirklich alles nur auf Japan fokussiert. Die ganzen Kpop Sachen gab es beim letzten Mal noch nicht. Vielleicht sind die mir aber auch einfach nicht aufgefallen.” Mit einem Lachen und einem Danke beenden wir das Interview.

Bei diesem Interview fällt vor allem auf, dass neben den zuvor gesehenen Cosplayern, die einen offensichtlichen Bezug zu Japan und/oder Anime hatten, auch Besucher vor Ort waren, die den Japantag als Gelegenheit wahrnehmen, um sich mit Freunden zu treffen und gemeinsam etwas zu erleben. Bei diesem Beispiel steht der offensichtliche Konsum, welcher mit Geld und greifbaren Gütern handelt, weniger im Vordergrund, sondern stattdessen die Interaktion und Genuss von der Gesellschaft anderer Menschen im Konsumkontext, wobei Freunde treffen hier einen hohen Stellenwert einnimmt. Zudem erlebt man zusammen etwas und teilt damit eine Erinnerung, die dann als positives Erlebnis abgespeichert wird und in den meisten Fällen wiederholt werden möchte. Bis dies geschehen kann, muss allerdings wieder ein Jahr gewartet werden, weswegen versucht wird möglichst viele positive Erlebnisse in der kurzen Zeit des Japantages zu sammeln. Da der Japantag nur einmal pro Jahr stattfindet, kommt es zu einem Gefühl der Exklusivität und der Einmaligkeit, welches unter anderem durch die Werbung der verschiedenen Stände am Rheinufer unterstützt wurde, welche unter anderem mit “einmalig” und “nur heute”, “nur hier” geworben haben.

Am Nachmittag haben wir uns eine Weile von der Rheinpromenade entfernt, ehe wir am Abend wieder zurückgekommen sind, um das Feuerwerk zu sehen und neue Eindrücke zu bekommen. Dabei fiel auf, dass sehr viele Menschen lange auf den Wiesen saßen, mit ihren Freunden sprachen, zum Teil einfach nur andere Besucher beobachtet und alle möglichen Reize aufgenommen haben. Sie wirkten so, als wenn sie möglichst viel passiv konsumieren und wahrnehmen wollten. Gleichzeitig wurde allerdings die Gesellschaft von Freunden aktiv konsumiert, gleiches galt für die Umweltreize, welchen die Akteure ausgesetzt waren. Außerdem ist aufgefallen, dass einige Gruppen mit kleinen Kindern unterwegs waren, die ebenfalls in Cosplay eingebunden wurden; das spielt wieder in den Aspekt des gemeinsamen Erlebens rein, bei dem viel Wert auf gemeinsame positive Erinnerungen und Erlebnisse gelegt wird.

Besonders beeindruckend war in vielerlei Hinsicht das abendliche Feuerwerk. Zunächst hatte ich angenommen, dass tagsüber bereits unfassbar viele Menschen unterwegs waren, doch während des Feuerwerks war eine so große Zahl an Menschen vor Ort, dicht gedrängt und erwartungsvoll, dass man schon beinahe Angst hatte am Ende in der Menge unterzugehen. Bei dem Feuerwerk wurde auch wieder viel mit dem Konzept der Einmaligkeit gespielt und die Einzigartigkeit hervorgehoben, vor allem weil sich die Themen des Feuerwerks jedes Jahr ändern und es zwar Ähnlichkeiten zu vergangenen Jahren gibt, aber letztendlich dennoch durch eine Variation eine Abweichung von den Vorjahren festgestellt werden kann.

Das kollektive Erleben und die ungewohnte Vertrautheit mit hunderten Fremden, die verspürt wird, wenn man zusammen auf ein Ereignis wartet und dies gemeinsam erlebt, ist in diesem Moment besonders deutlich geworden, und wurde durch die kollektive Faszination mit dem Feuerwerk und der Atmosphäre noch verstärkt.

Zudem wurde das positive Erlebnis durch Hinauszögerungstaktiken verstärkt, bereits vor dem Beginn wurde mit Vorfreude gewartet, während der Show führten zusätzliche kurze Pausen dazu, dass der Eindruck entstand, dass das Feuerwerk zu Ende sei, ehe es mit mit noch eindrucksvollerer Show fortgesetzt wurde. Diese Steigerung des Geschehens führt zu einem länger anhaltenden positiven Reiz.

           

Wichtig zu erwähnen ist, dass es bei der Veranstaltung so viele mögliche Erlebnisse und Interaktionsräume, sowie Konsumräume gab, dass es unmöglich ist in einer Kleingruppe alle möglichen Informationen auf einmal zu sammeln und einzubinden. Es lässt sich allerdings festhalten, dass zum Beispiel auch Konsumräume entstehen, die man zunächst nicht in dieser Form vermutet (die “Gaang” Cosplay Gruppe) und das ein besonderer Wert auf die Einzigartigkeit der Veranstaltung gelegt wird, wobei dies in vielerlei Hinsicht, wie zum Beispiel mit dem Feuerwerk geschehen kann, welches alljährlich mit der Einmaligkeit des Erlebnisses wirbt.

 

Ein Bericht von Tamara Dost