Im Mai dieses Jahres fand der nun bereits 20. Japan-Tag in Düsseldorf statt. Mit seinen rund 650.000 Besucher*innen aus dem In- und Ausland gehört der Japan-Tag zu den größten japanischen Kultur- und Begegnungsfesten Europas.
Daher ist es aus Studierendenperspektive stets eine optimale Gelegenheit den Tag zu nutzen, um sich mit dem Event und dem Konsum japanbezogener Güter auseinanderzusetzen. Doch habt ihr euch auch schon mal gefragt, wie ein solches Event aus wissenschaftlicher Perspektive konkret beleuchtet werden kann?
In dem STM-Seminar „Künstliche Kontrastwelten in Japan – Eine Annäherung an die Zusammenhänge von Raum und Konsum“ haben sich die KursteilnehmerInnen intensiv mit Konsumräumen in und um Japan, sowie der Rolle von Raum und Konsum bei der Bedeutung von sozialen Beziehungen beschäftigt. Den diesjährigen Japan-Tag haben die Studierenden daher zum Anlass genommen, um auf Basis ihrer theoretischen Erkenntnisse eine teilnehmende Beobachtung mit Einzelinterviews durchzuführen. Den Studierenden war es dabei freigestellt, worauf sie ihren Fokus legen möchten.
An dieser Stelle soll euch der folgende Forschungsbericht von Lieselotte Hahn Einblicke in die Beobachtungen der Studierenden geben:
Beobachtungstag: Sa, 13.05.2023, Beginn der Beobachtung: 15.00 Uhr, Ende: 23.59 Uhr.
Der Japantag ist eine jährlich in Düsseldorf stattfindende Veranstaltung, bei der die Vermittlung von japanischer Kultur im Vordergrund steht. Obwohl sich die meisten Attraktionen auf die Rheinpromenande konzentrieren – dort findet man eine Bühne für diverse Auftritte und Shows, verschiedenste Verkaufs- und Informationsstände sowie den wohl besten Blick auf das abendliche Feuerwerk – nimmt die gesamte Stadt an diesem Event teil. Im Rahmen des Seminars zu künstlichen Kontrastwelten in Japan dient dieses Forschungsprojekt dazu, herauszufinden, wie der Japantag als Konsumraum verstanden und genutzt wird.
Um dieses Ziel zu erreichen, wende ich zwei verschiedene Methoden an. Zunächst steht die teilnehmende Beobachtung im Vordergrund, was bedeutet, dass ich bei der zu untersuchenden sozialen Situation (in diesem Fall beim Japantag) im Feld aktiv bin, als Teilnehmerin und Beobachterin zugleich. So wird es ermöglicht, Strukturen akkurater zu erkennen und die soziale Realität der Situation und der Untersuchungspersonen möglichst realitätsnah nachzuvollziehen. Des Weiteren interviewte ich im Laufe des Tages insgesamt vier Personen, die in Gruppen von jeweils zwei Menschen auftraten. Ab dem Nachmittag war ich gemeinsam mit Freund*innen unterwegs, zu Fuß vom Hauptbahnhof bis zur Rheinpromenade, wo wir bis zu den Apollowiesen an allen Ständen vorbeiliefen. Geendet hat der Abend auf eben dieser Wiese, von wo aus wir das Feuerwerk angeguckt haben. Obwohl ich durch diese Bedingungen keine völlig objektive Beobachterin sein konnte, gebe ich mir beste Mühe, meine Ergebnisse im Folgenden so vollständig und unabhängig wiederzugeben, wie ich kann.
Für mich begann das Erlebnis Japantag bereits auf dem Weg zum Hauptbahnhof, wo ich mich mit meinen Freund*innen traf. Ich hatte mich dazu entschieden, ein Cosplay- Kostüm zu tragen, was die Blicke einiger Leute in der U-Bahn auf mich zog. Je näher wir dem Hauptbahnhof kamen, desto weniger fiel meine Verkleidung auf, da schon bald andere kostümierte oder anderweitig thematisch passend angezogene Menschen dazu stiegen. Sie wirkten freudig und aufgeregt, aber auch etwas gestresst und hektisch. Am Hauptbahnhof angekommen bestätigte sich diese Beobachtung weiter. Unzählige Gruppen von Menschen liefen in Richtung Rheinpromenade, einige telefonierten oder verfassten Nachrichten auf ihren Handys, um ihre Freund*innen zu erreichen, wieder andere drängten die Menschen, mit denen sie unterwegs waren, sich zu beeilen. Auch auf der Immermannstraße herrschten chaotische Zustände. Vor asiatischen Supermärkten, Bubble Tea Läden und Anime Merchandising Geschäften reihten sich lange Schlangen von kaufbereiten Besucher*innen des Japantags.
Noch voller wurde es, als wir bei der Rheinpromenade selbst ankamen. Langsamen Schrittes bahnten sich hier Tausende von Besucher*innen ihren Weg vorbei an Souvenir- und bereits ausverkauften Essensständen. Cosplayer*innen mit besonders auffälligen Kostümen stoppten bereitwillig für Fotos und aus allen Richtungen hörte man Musik und Gespräche. In diesem Setting schien die Kauflust der Besucher*innen noch weiter zu steigen. An einem Stand für traditionelle japanische maneki-neko (Winkekatzen aus Porzellan) und andere Handwerkskunst konnte ich das Treiben für längere Zeit beobachten. Eine Käuferin fiel dabei ganz besonders auf: die nicht-japanisch aussehende junge Frau bestellte auf Japanisch immer mehr und mehr Artikel. Während um sie herum sichtlich Frust aufkam, da die Schlange hinter ihr zunehmend länger wurde, lies sie sich nicht beirren und setzte ihren Einkauf unbehelligt fort. Über zehn Produkte kaufte sie an diesem Stand und schien überglücklich über ihre neuen Käufe.
Abb. 1: Die Schlange vor dem Stand für die maneki-neko
Zum Abend hin veränderte sich die Atmosphäre merklich. Viele der Besucher*innen suchten sich einen Platz auf den Wiesen, wo sie es sich mit Picknickdecken und mitgebrachtem oder gekauftem Essen gemütlich machen konnten. Meine Gruppe setzte sich an eine Stelle, die nah an einer Rave-ähnlichen Stelle lag. Hier hatte jemand ein DJ- Pult und eine Soundanlage mitgebracht und eine große Traube von Menschen tanzte ausgelassen zu der Japantag-untypischen Technomusik. In dieser Situation führte ich auch meine Interviews durch. Meine vier Interviewpartner*innen waren alle im Alter von 21 bis 24 Jahren, befanden sich entweder im Studium oder in einer Ausbildung und waren mir fremd. Da ich zwei verschiedene Paare von Freund*innen befragen konnte, habe ich ein gutes Gefühl für die Komponente der sozialen Dynamik gewinnen können, die für den Konsumraum Japantag eine wichtige Rolle spielt. In meinen Interviews wurden mehrere Parallelen zwischen den beiden Duos auffällig, obwohl sie sich nicht kannten. So gab es bei jedem Paar eine Person, die bereits mehrere Jahre in Folge den Japantag besucht hatte und eine Person, die zum ersten Mal daran teilnahm.
Zusätzlich waren sie alle extra für den Japantag nach Düsseldorf angereist und verbanden ihren Aufenthalt mit anderen Erlebnissen, damit sich die Anreise für sie „gelohnt“ habe. Zwei Freunde waren am Morgen aus Stuttgart gekommen und planten, nach dem Feuerwerk noch in einen Club in Düsseldorf zu gehen. Die beiden anderen hatten sich für eine Nacht in ein Hotel eingebucht und hatten am frühen Abend ein ausgiebiges Essen in einem (nicht-japanischen) Restaurant genossen. Auf die Frage, weshalb sie zum Japantag gekommen sind, antworteten alle vier, dass für sie der soziale Aspekt des Events am wichtigsten sei. „Hier kommt einfach so eine schöne Atmosphäre auf, es ist wie Festivalkultur“ betont Tom aus Stuttgart. Alle Befragten bestätigten, dass ihre Erwartungen an den Tag bis zu dem Zeitpunkt des Interviews erfüllt wurden, sie sich allerdings sehr auf das noch bevorstehende Feuerwerk freuen würden. Zufällig traf ich die beiden Stuttgarter nach dem Feuerwerk noch einmal und erkundigte mich nach ihrer finalen Einschätzung des Tages: „Meine Erwartungen wurden wirklich vollkommen erfüllt! Das Feuerwerk war mega schön… Ja, da kann man schon sagen, dass der Tag dadurch zu einem einzigartigen Erlebnis geworden ist.“
Abb. 2: Das Feuerwerk bildet den krönenden Abschluss des Japantags.
Aufgrund meiner Beobachtungen und Befragungen halte ich es für angebracht, zwei übergeordnete Konsumräume auf dem Japantag zu unterscheiden, die sich an einem Ort auffinden lassen. Zum einen gibt es den klassischen Raum Japantag: Besucher*innen, die Interesse an Japan haben und diesem nachkommen, indem sie japanisches Essen konsumieren, an den Ständen Waren kaufen, das Bühnenprogramm angucken und die geschäftige Atmosphäre der Rheinpromenade genießen. Diese Konsument*innen wirken enthusiastisch und begeisterungsfähig, gleichzeitig allerdings auch hektisch bis gestresst. Den anderen Raum bildet der Japantag als Ort für soziale Interaktion, wobei die Konsument*innen das Event zum Anlass nehmen, sich mit Freund*innen zu treffen und vor allem den entspannteren Trubel der Wiesen zu erleben. Sie macht eine Mischung aus Ruhe und Partylaune aus. Für beide Gruppen von Konsument*innen wird das Erlebnis Japantag durch geschickt geplante Attraktionen noch ansprechender. Das Highlight des Tages scheint unbestritten das Feuerwerk zu sein – schließlich ist es jedes Jahr anders und je nach der eigenen Position auch individuell unterschiedlich. Um besonders gute Plätze zu ergattern, sollte man möglichst früh an der Rheinpromenande ankommen, was zusätzlich mehr Zeit dazu bietet, andere Angebote wahrzunehmen. Da das Feuerwerk spät abends auch einen zeitlichen Abschluss bietet, steigert sich durch das Herauszögern die Spannung und Vorfreude darauf und macht es umso schöner, wenn das lange Warten sich endlich „gelohnt“ hat.
Abschließend finde ich es besonders interessant zu beobachten, wie die Vermarktung eines Events wie dem Japantag als besonderes Erlebnis dafür sorgt, dass Menschen viel eher dazu verleitet werden, dieses Angebot als Konsument*in anzunehmen. Auch bei meinen Freund*innen und mir selbst war es wie selbstverständlich, dass wir diesen Anlass nutzen würden, um uns in einer großen Gruppe zu treffen, diverse Konsumgüter zu kaufen und gemeinsam mit den anderen Besucher*innen auf das Feuerwerk hinzufiebern. Obwohl der Japantag in seiner Planung an vielen Stellen noch verbesserungsfähig ist, scheint das keine große Auswirkung auf die Zufriedenheit der Besucher*innen zu haben, die währenddessen und im Anschluss an den Tag glücklich auf sozialen Medien Beiträge darüber teilen. Natürlich gibt es auch Punkte, die es sich zu kritisieren lohnt – die Entstehung von verhältnismäßig viel Müll, exzessiver Konsumrausch nur um zu konsumieren, mögliche Verfehlung des Ziels von japanischer Kulturvermittlung – dennoch sind Angebote wie der Japantag ein wichtiger Bestandteil des Düsseldorfer Stadtbildes und bieten die Möglichkeit und den Raum für ein Gemeinschaftsgefühl und sozialen Zusammenhalt, was meiner Meinung nach unbedingt unterstützt werden sollte.
Ein Bericht von Lieselotte Hahn