Highlights, Kunst und Kultur

Berlinale-Nachlese: Otôto / Otouto

Yamada Yôji mit der Berlinale-Kamera. Foto: Richard Hübner (c) Berlinale

Yamada Yôji (79), vor allem bekannt als der Regisseur der Serie Otoko wa tsurai yo („Tora-san“), zeigte auf der diesjährigen Berlinale sehr große Präsenz: Mit Kyôto Uzumasa Monogatari („Kyoto Story“) und Otôto („About her brother“) stellte er gleich zwei Filme vor, er bekam die Berlinale-Kamera verliehen und stellte sich in einer Diskussionsrunde den Fragen der jungen Filmschaffenden des „Berlinale Talent Campus“. Otôto, der als Abschlussfilm bei der Preisverleihung gezeigt wurde, ist ein klassisches Familiendrama, das stark von Yamadas Wurzeln im japanischen Studiosystem geprägt ist.

Als Yamada 2008 mit seinem Film Kâbei („Our Mother“) zur Berlinale aufbrach, erfuhr er noch auf dem Flughafen in Japan, dass sein Kollege Ichikawa Kon gestorben sei. „Ich war sehr traurig, Ichikawa war ein großes Vorbild für mich“, erklärte Yamada beim Berlinale Talent Campus. In Berlin habe er dann viel über Ichikawa nachgedacht und beschlossen, als Hommage an Ichikawa einen Film zu machen, der sich an dessen Otôto (おとうと, 1960) anlehnt.

Bei Yamada wie Ichikawa geht es um das Verhältnis einer älteren Schwester zu ihrem jüngeren Bruder, einem rechten Taugenichts, der die Liebe seiner Schwester mit immer neuen Fehltritten auf die Probe stellt. Eine tragische Wende nimmt die Geschichte, als der kleine Bruder schwer erkrankt und keine Aussicht mehr auf Heilung besteht.

Tetsurô, der kleine Bruder in Yamadas Otôto, lässt starke Parallelen zu Tora-san, dem herumziehenden Händler und Spieler, erkennen. Wie Yamada selbst sagt, sind beide ほんとうにだめな男, „wirklich nutzlose Männer“. Aber auch wenn sie die Hochzeit ihrer Nichte ruinieren, viel zu tief ins Glas schauen oder ihr ganzes Geld verspielen, sind Yamadas Figuren deshalb nicht weniger liebenswert und sehen in ihrer Torheit vielleicht einige Dinge sogar klarer als ihre Mitmenschen.

In Otôto zeigt sich aber nicht nur der Einfluss Ichikawas, auch Ozu Yasujirôs Filme, in denen immer die Familie im Mittelpunkt steht, bildeten einen Ankünpfungspunkt für Yamada Yôji. Als Yamada bei den Shôchiku-Studios als Drehbuchautor und Regieassistent sein Handwerk lernte, drehte Ozu dort gerade seine späten Meisterwerke wie Sôshun („Früher Frühling“) oder Ohayô („Guten Morgen“). Zwar mochte Yamada Yôji, wie er beim Talent Campus berichtete, Ozus Filme damals nicht besonders, weil sie ihm furchtbar altmodisch (furukusai) vorkamen und ihn die französische Nouvelle Vague viel stärker interessierte.

Heute aber sieht er sich klar in der Tradition der großen Familienfilme des Shôchiku-Studios, die häufig in einem begrenzten Umfeld – dem Familienhaushalt – spielen und einen Schwerkpunkt auf die Darstellung des Lebens in einfachen Verhältnissen legen. So lebt auch Ginko, die Protagonistin in Otôto, mit ihrer erwachsenen Tochter Koharu in einem unscheinbaren Vorort von Tôkyô und versucht, mit ihrer kleinen Apotheke gegen die Konkurrenz durch große Ketten zu bestehen. Mit den etwas kauzigen anderen Bewohnern ihres Viertels verbindet sie nicht nur die Angst vor einem geplanten Einkaufszentrum, sondern auch eine enge Freundschaft.

Otôto ist ein Film, bei dem Humor, Trauer und Humanismus eine enge Bindung eingehen. Hier hat sich Yamada Yôjis Erfolgsrezept bewährt: 「映画は商品ではなく、作品です。」– „Filme sind keine Waren, sie sind Kunstwerke.“

Das Filmdatenblatt der Berlinale zu Otôto gibt es hier und einen Trailer auf der offiziellen Webseite.

Elisabeth Scherer

1 Kommentare

Kommentare sind geschlossen.