Austausch und Japanaufenthalt, Highlights, Studierendenberichte

Natascha Elbers berichtet über das Auslandsjahr an der Ferris-Universität

Ihr spielt mit dem Gedanken ein Auslandsjahr in Japan anzutreten? Bevor ihr euch aber entscheidet, möchtet ihr gerne ein paar Erfahrungen von Studierenden hören und euch über mögliche Herausforderungen und bevorstehende Eindrücke bei so einem Auslandsstudium informieren? In diesem Interview-Beitrag berichtet uns Natascha Elbers freundlicherweise über ihre Zeit an der Ferris-Universität:

Wie liefen für dich die ersten Wochen nach Ankunft in Japan ab? Was erleichterte oder erschwerte für dich die Eingewöhnung vor Ort?

Bei der Eingewöhnung halfen mir besonders die anderen ausländischen Studentinnen. Für die meisten japanischen Studentinnen ist der Alltag in Japan genau das – Alltag. Was für sie total normal ist und keiner weiteren Erklärung oder Orientierung bedarf, kann für Austauschstudis schon eine Herausforderung sein. Diese Herausforderungen sowie die Gefühle der absoluten Ahnungslosigkeit und Überforderung sind für die ausländischen Senpais nichts Unbekanntes, sie haben sich schließlich auch an den Alltag erst gewöhnen müssen. Deswegen können sie in manchen Situationen durch ihre eigenen Erfahrungen am besten helfen.

Welche Kurse hast du an deiner Austauchuniversität besucht?

Neben den Japanisch-Kursen habe ich auch mehrere Deutschkurse besucht und konnte dort dank meiner Lehrqualifikation Deutsch als Fremdsprache assistieren und in der Praxis herausfinden, ob das in der Zukunft eine Berufsmöglichkeit für mich wäre. Außerdem ist es meiner Meinung nach immer gut, sich mit „Leidensgenossen“ auszutauschen – eine Fremdsprache zu lernen ist und bleibt manchmal eine Herausforderung.
Ein weiteres persönliches Highlight war der Bogenschieß-Kurs, der mir sehr viel Spaß gemacht hat! Bogenschießen würde ich gerne als Sport auch in Deutschland weiterverfolgen!

Wie gestaltet sich die praktische Anwendung deiner Japanisch-Kenntnisse im Alltag?

In der Uni habe ich Japanisch gesprochen und auch im Wohnheim, denn auch wenn dort Studentinnen aus verschiedenen vor allem asiatischen Ländern kamen, war Japanisch in den allermeisten Fällen die einzige sprachliche Schnittstelle. Logischerweise war ich in Japan überall mit Japanisch konfrontiert und konnte daher überall Japanisch sprechen, das klappte in der Regel auch besser als ich es mir manchmal zugetraut hätte. Besonders schön und auch motivierend fand ich es, wenn ich mit den Leuten Vorort ganz zufällig ins Gespräch gekommen bin oder an Sprachbarrieren verzweifelnden Touristen kurzerhand helfen konnte. Schnell von Englisch nach Japanisch und zurück übersetzen zu können, ist eine Sache, die nicht alle können. Und auch wenn es im Studiengang Modernes Japan nicht nach viel klingt, kann man trotzdem stolz darauf sein, wenn man das kann – egal, was die Noten oder manchmal auch Selbstzweifel sagen 😉

Hast du irgendwelche Schockerlebnisse oder negativen Erfahrungen in Japan gemacht?

Eher eine komische Erfahrung. „Brauchen Sie eine Tüte dazu?“ – „Nein, danke!“ Manche haben die Erfahrung bereits gemacht, bei jedem noch so kleinen oder großen Einkauf wird freundlich gefragt, ob man eine (meist) Plastiktüte dazu braucht. Diese lehnte ich immer freundlich ab und stopfte meinen Einkauf in meinen Baumwollbeutel oder balancierte die zwei, drei Teile in meinem Arm ins Wohnheim. Kein Problem. Beim Kauf von Damenhygieneartikeln war es aber nie so leicht, dass ich nach meinem „Nein, danke“ einfach mit der Packung Binde aus dem Laden spazieren konnte. Ein stetes Hin- und Her „Die Tüte ist eine kostenlose Serviceleistung.“ –  „Dennoch, nein danke“ – „Ah, verstanden“, während die Kassiererin statt der dunklen Plastiktüte eine braune Papiertüte zückt.  „Nein, danke, ich brauche keine Tüte.“ – „Die Papiertüte ist kostenlos“ … Ein (gefühltes) Tabu um die Periode und die undurchsichtigen Tüten.

Gibt es einen Ort in Japan, wo du besonders gerne hingehst oder den du empfehlen möchtest?

Ich war viele Male, während verschiedener Jahreszeiten in Kamakura. Die berühmten Tempel und Schreine dort wie Kotokuin, Hasedera und Tsurugaoka Hachimangu sind eindrucksvoll und ziehen unzählige Touristen an und sind auf jeden Fall einen Besuch wert. Doch würde ich auch die Wege abseits des Gedränges empfehlen, dort versteckt sich auch so manches. Ich konnte dort stundenlang herumspazieren und habe auch jedes Mal etwas Neues entdeckt.

Gibt es etwas, das du während deiner Zeit in Japan aus deiner gewohnten deutschen Umgebung vermisst hast? Zum Beispiel etwas Bestimmtes zu essen?

Natürlich habe ich immer wieder mal Dinge aus Deutschland vermisst, vor allem in der Weihnachtszeit. Es war zwar sehr interessant und auch spaßig japanische „deutsche Weihnachtsmärkte“ zu besuchen z.B. in Tokyo oder Yokohama. Für meine japanischen Freunde, war das immer ein total tolles Event, für mich in gewisser Weise unterwältigend – Weihnachten ohne Gulaschsuppe nach Omas Rezept ist eben nicht so richtig Weihnachten. Und Brot habe ich vermisst! Richtiges, leckeres Brot, eines das nicht so süß und weich ist, eines für das man richtig kauen muss.

Neben der Gelegenheit deiner Japanisch-Kenntnisse praktisch anzuwenden, bist du auch für dein Masterarbeitsvorhaben nach Japan gekommen. Was genau ist dein Forschungsthema?

Ich beschäftige mich mit Erinnerungskultur in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg und der Friedenserziehung in Japan. Ganz konkret nahm ich an einer Studienreise nach Hiroshima teil und untersuche, was dort wie und auch warum vermittelt wurde.

Gab es Hürden, die du bei der Umsetzung deines Forschungsthemas überwinden musstest?

Ich habe mehrere Interviews geführt unter anderem mit den Organisator*innen und Teilnehmerinnen der Studienreise, um mehr über die Studienreise und über die Eindrücke der Teilnehmerinnen zu erfahren. Interviews (auf Japanisch) zu führen ist nicht ohne. Es erfordert eine Menge Vorbereitung, einerseits inhaltlich, andererseits sprachlich. Bei meinem ersten Interview war ich noch sehr nervös, aber mit jedem weiteren findet man sich mehr in dieser Situation zurecht.  Als Hürde sah ich organisatorischen Schwierigkeiten bei Gruppeninterviews, kurz: die gemeinsame Terminfindung.

Abschließend möchte ich dich fragen, wie bewertest du den Entschluss für das Auslandsjahr für dich persönlich? Inwieweit hat es dich deiner Meinung nach in der persönlichen Entwicklung vorangebracht?

Ganz ehrlich, es war kein leichter Entschluss. Während viele Kommilitoninnen und Kommilitonen scheinbar lieber heute als morgen nach Japan fliegen wollen, war ich nicht ganz so euphorisch. Die Corona-Situation in den vergangenen Jahren hat es auch nicht gerade vereinfacht. Ich hab mir viele Gedanken gemacht, auch um meine langjährige Beziehung … Jetzt kann ich sagen, dass es vollkommen okay ist, sich Gedanken zu machen, da jeder andere Erwartungen oder auch Sorgen in Bezug auf das Auslandsjahr hat. Für mich ist es jetzt eine der besten Entscheidungen, die ich je getroffen habe. Ich habe unglaublich viel gelernt – ich würde fast behaupten, dass das wenigste davon mit Japanologie zu tun hat. Ich habe unglaublich tolle und liebe Menschen kennengelernt, die mir nun sehr am Herzen liegen und mit denen ich zusammen viel erlebt habe – abenteuerliche Ausflüge und auch den gewöhnlichen japanischen Alltag. Vor allem habe ich für mich gelernt, Dinge in meinem Tempo anzugehen und zumindest in einigen Teilen den Vergleich mit anderen Leuten auch mal auszusetzen.

Vielen Dank für das Interview, es freut mich zu hören, dass du eine schöne und erlebnisreiche Zeit in Japan hattest. Nun wünsche ich dir viel Erfolg im weiteren Studienverlauf und bei den anstehenden Aufgaben bei der Fertigstellung deines Masterprojekts.

 

Ein Interview mit Natascha Elbers (Auslandsjahr an der Ferris-Universität).