Sprache, Studierendenberichte

Bericht: Wie untertitelt man einen Film?

Im Studium Modernes Japan ist das Erlernen der japanischen Sprachen ein wichtiger Baustein. Dabei gibt es für fortgeschrittene Semester auch Kurse, in denen die praktische Anwendung des Gelernten im Fokus steht. Dazu gehört das Seminar „Untertitelung japanischer Filme“. In Kooperation mit der Agentur Japan Visual Media Translation Academy (JVTA) werden dabei in jedem Sommersemester Filme untertitelt, die dann im Rahmen des Filmfestivals Nippon Connection aufgeführt werden. Von ihren Eindrücken berichtet hier die Studentin Tabea Hoffmann.

Von Tabea Hoffmann:

Im Sommersemester 2022 fand erneut im Online-Format das Blockseminar „Untertitelung japanischer Filme“ unter der Leitung von Frau Dr. Michaela Oberwinkler und in Kooperation mit der Agentur Japan Visual Media Translation Academy (JVTA) statt. Dieses Jahr sollten wir Studierenden den 14 Minuten langen, japanischen Kurzfilm „Volte-Face“ (転回) mit englischen Untertiteln versehen. Also von einer Fremdsprache in einer andere übersetzen – gar nicht so leicht! Der Kurzfilm handelt von dem jungen Pärchen Yuji und Kaede. Sie wollen ihre Künstlerkarriere voranbringen, allerdings weigert sich Yuji mit dem unsympathischen, aber einflussreichen Künstler Tadashi zusammenzuarbeiten.

Das Seminar fand zwischen April und Mai verteilt auf insgesamt fünf Zoom-Sitzungen statt. Da die meisten Studierenden zum ersten Mal an so einem außergewöhnlichen Projekt teilnahmen, hatten viele schon die wildesten Vorstellungen welche technischen Fähigkeiten sie mitbringen müssten. Aber die Sorge war unbegründet. Gleich beim ersten Treffen verwiesen uns Bill und Ishii-san von JVTA auf das Google Spreadsheet, wo wir unsere jeweiligen Übersetzungen eintragen sollten. Das japanische Skript war bereits vorhanden. Die Teilnehmenden wurden dann in 5 Gruppen eingeteilt und bekamen den Auftrag, sich außerhalb der Sitzungen über Discord zu treffen und ca. zweieinhalb Minuten des Films eigenständig zu übersetzen. In der darauffolgenden Sitzung berichtete dann jede Gruppe über ihren Fortschritt und von Wörtern oder Sätzen, mit denen sie zu kämpfen hatten. Daran anschließend gab es oft ein gemeinsames Brainstorming im Plenum, bei dem jede:r eine alternative Übersetzungslösung beisteuern konnte.

Der erste Stolperstein beim Übersetzen waren die Rechtschreibung und die japanische Anreden さん (san) und 先生 (sensei). Diese sind im Japanischen geschlechtsneutral und daher ohne Hintergrundwissen zu Geschlecht und Beruf der Charaktere nicht einfach als ‚Mr‘ oder ‚Ms‘ zu übersetzen. Des Weiteren blieben wir häufig an einzelnen Wörtern oder grammatikalischen Phrasen hängen, die mit der kleinsten Veränderung die Atmosphäre zwischen den Charakteren gänzlich verändern könnten. Während Kaede im Film beispielsweise sehr höflich spricht, nimmt Tadashi eine herablassende Haltung ein. Im Japanischen ist das leicht mit 丁寧語 (teineigo, Höflichkeitssprache) und くだけた (kudaketa, alltagssprachlich) auszudrücken. Aber wie sieht es im Englischen aus? Kann Kaede ‚kinda‘ statt ‚kind of‘ sagen? Und wie unhöflich soll Tadashi sprechen? Darüber hinaus hatten wir eine Begrenzung an Zeichen, damit das Publikum genug Zeit hat die Untertitel zu lesen. Aus diesem Grund war eine Eins-zu-eins Übersetzung meistens unmöglich.

Bei diesen zahlreichen Fragen kamen uns ein paar Hilfsmittel gerade recht. Über ein für alle zugängliches ‚Consistency Sheet‘ einigten wir uns darauf, dass Tadashi mit ‚Mr.‘ angesprochen und das lange japanische ‚ū‘ zu einem normalen ‚u‘ wird. Außerdem erstellte Ishii-san mehrmals einen ‚Kari-Mix‘: der Kurzfilm mit den aktuellen Untertiteln. Somit verschafften wir uns einen neuen Eindruck, wie die Übersetzungen im Kontext des Films klingen. Ist der Satz vielleicht zu lang oder wirkt es unnatürlich? Zu guter Letzt hatten wir die Gelegenheit ein interessantes und aufschlussreiches Gespräch mit dem Drehbuchautor, Regisseur und Darsteller von Yuji Kanshi Iwasaki zu führen. Er beantwortete unsere Fragen, wie es zu der Filmidee kam, wie die Schauspieler ihre Rollen angingen, oder ob er heute etwas anders machen würde. Gleichzeitig gab Iwasaki uns mehr Informationen zu Charakteren, die im Film nur namentlich erwähnt werden, was ein paar Missverständnisse aufklärte. So flirteten der Künstler Kakui und der Kritiker Yohei Tsuji nicht miteinander, sondern schleimten sich bei dem jeweils anderen ein.

Am 17. Mai war die endgültige Fassung schließlich bereit für die große Ausstrahlung auf dem Frankfurter Nippon Connection Festival. Und obwohl der Prozess mühsam und schwieriger als gedacht war, können wir mit Stolz auf unser vollendetes Projekt blicken. Im Namen aller Seminarteilnehmenden bedanke ich mich herzlich bei Frau Dr. Michaela Oberwinkler und den Vertretern von JVTA für die tolle Organisation und Leitung des Kurses.

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