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„Wer nicht arbeitet ist quasi kein Mensch“

Neben gutbezahlten Managern finden sich auch viele Studierende und junge Arbeitnehmer aus Japan in Düsseldorf. Was bringt sie nach Deutschland? Was denken sie über Japan? Was erwarten sie sich vom Leben? Studierende des Fachs Modernes Japan der Heinrich-Heine-Universität haben im Rahmen des Seminars „Lebensentwürfe und Lebenschancen junger Japaner“ von Nora Kottmann im Wintersemester 2009/10 versucht, diesen Fragen auf den Grund zu gehen.

Wer schon mal ein Interview geführt hat, weiß, dass es bereits in der eigenen Muttersprache nicht ganz einfach ist, seine Gedanken so auf den Punkt zu bringen, wie man es gerne möchte. Bei den 28 Japanerinnen und Japanern zwischen 20 und 30 Jahren, die in Kleingruppen von insgesamt 68 Studierenden des Institutes für Modernes Japan zu ihrer Lebensplanung interviewt wurden, kam es daher des Öfteren zu einer kreativen Mischung aus Japanisch, Deutsch und Englisch. Aber gerade da, wo der vorher gemeinsam erarbeitete Interviewleitfaden nicht mehr helfen konnte, entwickelten sich die interessantesten Gespräche.

Sei es aus akademischem Interesse, um eine Fußballerkarriere zu starten oder nur als Sprungbrett in andere europäische Länder – die Gründe für die Entscheidung, nach Deutschland zu kommen sind ebenso vielfältig wie die Befragten selbst. In vielen
anderen Bereichen aber gab es große Übereinstimmungen, so zum Beispiel zum Thema Arbeit in Japan: „Das Arbeitsklima ist in Japan anders. Es wird erwartet, dass man sehr lange arbeitet und man hat wenig Freizeit“ sagt einer der Interviewten. Ein anderer
spitzte es sogar noch weiter zu: „Japaner haben schon so ne Vorstellung: wer nicht
arbeitet ist quasi kein Mensch.“ Dass das Arbeits- vom Privatleben in Deutschland getrennt sei und dass die Menschen hier so aufgeschlossen und offen seien, wird oft lobend erwähnt.

Trotzdem steht für den Großteil der Interviewten fest, dass Japan ihr zukünftiger Lebensmittelpunkt sein wird und ihr Aufenthalt in Deutschland nur befristet ist. Das Leben in Deutschland sei sehr interessant, aber sobald es um den „Ernst des Lebens“ geht – sprich Heirat und Kinder – ist eine Rückkehr nach Japan für die meisten selbstverständlich. Und dass sie heiraten und eine Familie gründen wollen, da sind sich fast zwei Drittel der Befragten sicher, am besten noch vor dem 30. Lebensjahr, wie es in Japan „nun mal so üblich ist“. Überhaupt wird Japan eher als Ort der Pflicht und strengen Vorgaben angesehen – viele der Befragten glauben, dass ihre Rückkehr sehr schwierig sein wird, da ihr Aufenthalt in Deutschland eine Abweichung vom „normalen“
japanischen Lebenslauf darstelle, der eine hohe normative Verbindlichkeit hat: „In Deutschland ist es egal wie alt man ist: Wenn man studieren möchte, kann man studieren. Aber in Japan ist das nicht wirklich so. Hier ist das möglich, und das finde ich wirklich schön.“

Einige nehmen diese Abweichung allerdings auch als Ausbruch wahr und genießen es: „In Japan geht es immer um die Arbeit und nicht um die Familie und sich selbst, und dieses Leben möchte ich nicht gerne führen, deswegen würde ich gerne in Deutschland bleiben“. Fast immer folgt jedoch das Eingeständnis, dass man wohl nach Japan zurückgehen wird. Und wie sicher sind sie sich mit ihren Plänen? „Ich weiß nicht genau, was ich in der Zukunft machen möchte, machen werde“, sagt einer, und klingt dabei eigentlich genauso wie ein deutscher Student.

Verfasst von:
Fabian Koglin, Kathrin Schmits, Charlotte Schneider, Julian Seelert und Tobias Wolf.
Wir bedanken uns herzlich bei den VerfasserInnen und bei Nora Kottmann.

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