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Bericht: „Zur gesellschaftlichen Relevanz des unternehmerischen Handelns. Unternehmensethik in Japan und Deutschland“

Was ist verantwortlich, was ist ethisch in der modernen Firmenwelt?
Was bedeuten Begriffe wie „Corporate Social Responsibility“ oder „Work-Life Balance“ für Staat und Unternehmen in Japan und in Deutschland?
Wo gibt es Parallelen, und wo Unterschiede im internationalen Vergleich – was können wir voneinander und miteinander lernen?

Diesen auch durch die jüngste Finanzkrise 2008/09 wieder hochaktuell gewordenen Themen und Fragen widmete sich der Workshop „Unternehmensethik in Japan und Deutschland“ vom 11. bis zum 13 März im Tagungshaus der Heinrich-Heine-Universität, Schloss Mickeln. Organisiert vom Lehrstuhl für praktische Philosophie (Prof. Dr. Dieter Birnbacher) und dem Lehrstuhl für Modernes Japan mit sozialwissenschaftlichem Schwerpunkt (Prof. Dr. Shingo Shimada) in Zusammenarbeit mit der Japanisch-Deutschen Gesellschaft für angewandte Ethik (Sprecher: Prof. Dr. Yasushi Kato, Nanzan Universität in Nagoya/Japan) ging es in den Vorträgen und Diskussionen um verschiedene Perspektiven, bei denen sowohl die interdisziplinäre als auch die interkulturelle Sicht eine wichtige Rolle spielten.

Wie andere „Bindestrich-Ethiken“ entstand auch die Unternehmens-Ethik aus der Krisenerfahrung, leitete Prof. Dr. Birnbacher als Mitveranstalter des Workshops seinen einführenden Vortrag ein. Er skizzierte dabei aus philosophischer Sicht die Entwicklung der Beschäftigung mit unternehmensethischen Fragen und eröffnete damit – nach den Grußworten des Prodekans der Philosophischen Fakultät, Prof. Dr. Bruno Bleckmann, und den begrüßenden Worten von Prof. Dr. Shimada – die inhaltliche Auseinandersetzung.

Am ersten Tag des Workshops ging es nicht nur in die unternehmerische, sondern auch wissenschaftliche Praxis: Prof. Dr. Gerd Rainer Wagner (Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, HHU) präsentierte einen fundierten Überblick über die aktuelle Forschung zur Unternehmensethik in denWirtschaftswissenschaften und regte zum Nachfragen und -lesen an. Dabei erläuterte er die Rolle von Unternehmensethik beim frühzeitigen Erkennen von Krisenpotentialen und verband dies mit einem vehementen Plädoyer für die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Einen ganz anderen Zugang zum Thema wählte der Philosoph Dr. Nobuaki Iwasa aus Nagoya: Er argumentierte in seinem Vortrag, dass im Gegensatz zum Westen in japanischen Betrieben Sympathie (kyôkan) als motivierende Grundlage für unternehmensethisches Handeln betrachtet werde.

Die lebendig geführte Diskussion auf Deutsch, Japanisch und Englisch wurde am zweiten Tag des Workshops im Panel „Work-Life-Balance als ethische Aufgabe?“ fortgeführt. Dr. Takeshi Nakazawa (Waseda Universität Tokyo) referierte zur Zeitpolitik japanischer Unternehmen und stellte aktuelle Umfragen zu Arbeitsbedingungen und Präferenzen japanischer Arbeitnehmer vor. Daran anschließend stellte Prof. Dr. Annette Schad-Seifert (Institut für Modernes Japan, HHU) die unterschiedlichen politische Ansätze einer Work-Life-Balance in Japan und Deutschland einander gegenüber.

Im Themenschwerpunkt „Inter- und Multikulturalität in Unternehmen“ berichtete Prof. Dr. Alois Moosmüller (Ludwig-Maximilians-Universität München) aus seiner Feldforschung über Erkenntnisse zur kulturellen Diversität in multikulturellen Unternehmen und bereicherte den Workshop durch eine ethnologische Sichtweise zu Verantwortlichkeit in Unternehmen. Dr. Minou B. Friele (Philosophisches Institut, HHU) diskutierte anhand verschiedener philosophischer Konzeptionen das Spannungsverhältnis von Korruption und Loyalität, mit dem sich Angestellte konfrontiert sehen können, wenn sie mit anderen Unternehmen kooperieren, die sie als „moralisch Fremde“ empfinden.

Die Thematik der Krise zog sich durch alle drei Tage des Workshops und wurde immer wieder in der Diskussion aufgegriffen. Besonders deutlich wurde dies im abschließenden Themenblock „ Corporate Social Responsibility (CSR)“. Dr. Michitaro Kobayashi (Nanzan Universität Nagoya) behandelte die Frage, ob und wieweit CSR die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen verstärke. Die konkreten Auswirkungen der Finanzkrise auf CSR-Strategien von Unternehmen in Japan und Deutschland wurden von Uwe Holtschneider (Universität Duisburg-Essen) in seinem Beitrag dargestellt und diskutiert.

Im Gegensatz zu wirtschaftlich schwachen Ländern – die mit ganz anderen Problemen konfrontiert sind – kann in reichen Industriegesellschaften ein erhöhtes moralisches Bewusstsein auf der Konsumentenseite festgestellt werden. Das Beispiel CSR zeigt, wie Ethik als Wettbewerbsstrategie für Unternehmen sowohl in Japan als auch in Deutschland relevant geworden ist. Durch die Vorträge und Diskussionen wurde deutlich, dass die japanische und deutsche Gesellschaft heute auf einer globalen wirtschaftlichen Ebene mit ähnlichen (unternehmens-)ethischen Problemen konfrontiert sind. Betrachtet man jedoch die Auseinandersetzung mit unternehmensethischen Fragestellungen in beiden Ländern, so lassen sich in den verschiedenen Vorgehensweisen die Folgen der unterschiedlichen Modernisierungsprozesse sehen. Diese Erkenntnis bereitet einerseits die Möglichkeit zu einem besseren beidseitigen Verständnis und birgt auf der anderen Seite die Chance zum gegenseitigen Lernern, um miteinander neue Ideen und Strategien zur Bewältigung von Krisen zu entwickeln.

Wir bedanken uns für einen abwechslungsreichen Workshop, anregende Diskussionen und hoffen auf baldige Wiederholung dieser spannenden Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Japan.

Zum Abschluss noch ein Hinweis für alle diejenigen, die nicht am Workshop teilnehmen konnten:  Da der Workshop fast vollständig aufgezeichnet wurden, besteht die Möglichkeit, einzelne Vorträgen oder Materialien der TeilnehmerInnen zu sichten. Wir helfen gerne weiter – Interessierte wenden sich bitte per Email an Peter Bernardi (Lehrstuhl Modernes Japan II).

(Celia Spoden, Peter Bernardi)