Kunst und Kultur

Japan auf der Berlinale 2013 / Cold Bloom

Die Auswirkungen der Katastrophe vom 11. März 2011 auf das Filmschaffen in Japan sind auch auf der diesjährigen Berlinale wieder sehr deutlich spürbar. Dass dieses Jahr nur fünf neue Filme aus Japan in Berlin vertreten sind – merklich weniger als in den Vorjahren – zeigt, dass die Filmindustrie sich nur langsam erholt. Drei der fünf Filme beschäftigen sich außerdem direkt oder indirekt mit der Katastrophe. Heute Abend feiert im Friedrichstadtpalast Yamada Yôjis neuer Film Tokyo Kazoku 東京家族 („Tokyo Family“) seine Premiere, ein Remake des Meisterwerks von Ozu Yasujirô. Ein gewagtes Projekt, auf das man gespannt sein darf.

Funahashi Atsushi, der letztes Jahr seinen eindringlichen Dokumentarfilm „Nuclear Nation“ vorgestellt hat, präsentierte am Montag sein neues Werk Sakura namiki no mankai no shita ni 桜並木の満開の下に („Cold Bloom“), eine Liebesgeschichte, die sich in einer von dem Tsunami gebeutelten Region entfaltet.

 

„Cold Bloom“ ist aus einer Menge vielversprechender Zutaten zusammengemengt. Mit der Stadt Hitachi in Ibaraki-ken hat Funahashi Atsushi eine Location gefunden, an der sich vieles konzentriert: Die Zerstörung durch den Tsunami, der langsame Zerfall einer ehemaligen Keimzelle der japanischen Wirtschaftskraft und die Perspektivlosigkeit der örtlichen Jugendlichen. Die Szenerie wird bestimmt von alten Fabrikgebäuden, Trümmerresten und einem wild schäumenden Meer. Die altmodische kleine Firma, in der die Geschichte spielt, ist ein treffend gewählter Ort für das Aufbäumen gegen den Niedergang einer Region. Per Hand stanzt eine Handvoll Mitarbeiter an altmodischen Maschinen Metallteile aus, der Computer im Büro ist eine Antiquität und die morgendlichen Parolen von einer „akarui mirai“, einer strahlenden Zukunft, wirken reichlich bizarr.

Funahashi ließ Beobachtungen in seinem Film einfließen, die er während seiner Reisen in der Region gemacht hat. Der Streit zwischen japanischen und chinesischen Arbeitern, der in dem Film immer wieder einmal aufbrandet, verdeutlicht nach Ansicht des Regisseurs ein Symptom, das sich derzeit in Japan beobachten ließe: „Menschen sind unzufrieden, können aber niemanden direkt dafür anklagen, deswegen lassen sie es an dem Typen aus, den sie direkt vor sich haben.“ – In diesem Fall der chinesische Arbeiter, der fleißig ist, weniger Geld nimmt und daher zur Konkurrenz wird.

Funahashi hat hier also einen vielschichtigen Hintergrund für eine Geschichte gewählt, deren Umsetzung schon vor 3/11 geplant war und in ihren Grundzügen unverändert geblieben ist. Mit seiner Geschichte hatte Funahashi nach Eigenaussage nicht weniger vor, als die „essence of human mind“ einzufangen. Stattdessen ist es aber leider nur eine schleppende und wenig glaubwürdige Liebesgeschichte geworden, die nicht nur unter dem plumpen Spiel der Hauptdarsteller leidet. Den Zuschauer beschleicht das Gefühl, dass dieser Drehort so viele Geschichten zu erzählen gehabt hätte – hätte man ihn gelassen und nicht versucht, ihm ein Buch aus der Schublade aufzupfropfen.

Funahashi verfolgt neben seinen Spielfilm-Projekten auch dokumentarisch das Schicksal der Menschen von Futaba weiter, die im Mittelpunkt von „Nuclear Nation“ standen – das lässt auf einen besseren Film im nächsten Jahr hoffen.

 

Einen Trailer zu dem Film gibt es hier.

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