Highlights, Institutsleben

„WiMis erzählen“ – Mirco Heller

In unserem vierten Beitrag zu „WiMis erzählen“ berichtet unser wissenschaftlicher Mitarbeiter Mirco Heller über seine Arbeit, den Forschungsalltag und seine Eindrücke aus dem Leben in Japan.

Kannst du dich kurz selbst vorstellen? Wo und was hast du studiert?

Mein Name ist Mirco Heller und ich bin sozusagen ein Eigengewächs der HHU. Meinen Bachelor habe ich damals hier in Modernes Japan und Germanistik abgelegt und mich während der Studienzeit bereits als Fachschaftsrat und Tutor im Institutsleben eingebracht. Dadurch hatte ich früh die Möglichkeit unterschiedlichste Einblicke in die Perspektiven von Lehrenden und Studierenden zu erhalten, was mir auch heute noch dabei hilft, mich in die Lage der aktuellen Studis hineinzuversetzen.

Nach meinem Bachelor hatte ich aber erst mal genug vom Unileben und zog zurück nach Tokyo, wo ich unter anderem für eine japanische Filmproduktionsfirma und für ein Start-Up in der Messenger-App-Branche arbeitete. Das Interesse an der Wissenschaft ließ mich allerdings nicht los, weshalb ich mich dazu entschied nach Düsseldorf zurückzukehren und meinen Master in Modernes Japan abzulegen.

Wie kamst du zur Japanologie?

Oje, lange Geschichte in Kurzfassung: Das war eigentlich schon entschieden, als ich sieben Jahre alt war. Wie wohl die meisten Japanologie Studierenden, bin auch ich mit dem Einfluss japanischer Popkultur wie Anime etc. aufgewachsen. In der Grundschule begann ich eigene Kurzgeschichten zu meinen Lieblingsanimes zu schreiben. Das Interesse an Animes ließ nach und wurde durch meine Begeisterung für japanische Literatur & Musik sowie für gesellschaftliche Themen abgelöst. Meine Leidenschaft fürs Schreiben blieb dabei die Konstante, die die Japanbezogenen Interessensfelder immer verbunden hielt. An der HHU in Düsseldorf sah ich für mich die beste Möglichkeit, meine inhaltlichen Interessen und Fähigkeit miteinander zu vereinbaren.

Wie kam es dazu, dass du dich für eine Promotion entschieden hast?

Wie gesagt, ließ mich die Wissenschaft schon während meiner Zeit in Japan nicht los – das Interesse am wissenschaftlichen Arbeiten war groß, an eine Promotion hatte ich allerdings noch nicht gedacht. Im Masterstudium wurde ich dann wissenschaftliche Hilfskraft am Institut, ehe mir 2022 eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter angeboten wurde. Dies kam für mich damals recht überraschend, da ich den Master noch nicht abgeschlossen hatte und parallel zu den ersten Kursen auch meine Masterarbeit zu Ende schreiben musste. Aber die Möglichkeit, sich über einen längeren Zeitraum mit ausgewählten Themen wissenschaftlich intensiv auseinandersetzen zu können, war für mich besonders reizvoll. Daher war dieser Schritt für mich folgerichtig.

Wie sieht ein normaler Arbeitstag bei dir aus?

Sagen wir besser: Wie sieht mein ‚idealer‘ Standard-Tag aus? – in der Wissenschaft gehört eigentlich der ganze Tag zur Arbeit (lacht.). Morgens laufe ich zunächst eine Runde durch den Stadtwald, um schon mal den Kopf auf Betriebstemperatur zu bekommen und die Natur etwas zu genießen.

Bevor ich mich auf den Weg zur Uni mache, kompensiere ich mein sportliches Pflichtprogramm mit einer wohlverdienten täglichen Schokoladendosis – in Form eines Schokocroissants von Terbuyken. Manchmal auch zwei. Schließlich braucht Wissenschaft Energie – und Nervennahrung. Gestärkt und voller Tatendrang geht es anschließend in mein Büro, das eigentlich so geräumig ist, dass man locker ein kleines Tanzstudio unterbringen könnte. Leider fehlt es aber bisher an Unterstützer*innen für mein „Science meets K-Pop Dance“-Konzept. Vormittags stehen dann die Klassiker an: Kursvorbereitungen, Korrekturen von Arbeiten und Recherchetätigkeiten – also die „unsichtbare“ Wissenschaft, die viel Zeit frisst, aber ebenfalls zum Prozess eigener wissenschaftlicher Arbeiten beiträgt. Nachmittags wird’s dann sozial: Kurse, Sprechstunden, Meetings – wahlweise produktiv, heiter oder beides gleichzeitig. Bevor ich mich zum Ausklang noch zwei Stunden dem Schreiben meiner Dissertation widme, treiben mich am frühen Abend dann die leidigen menschlichen Bedürfnisse nach Nahrung regelmäßig entweder für was Ausgewogenes in ein koreanisches/japanisches Restaurant oder – für die Vollendung meiner Überdosis Zucker – zu einem Bubble-Tea-Laden.

Aussicht im Stadtwald.

Was ist der Unterschied zwischen der Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter und der Forschung? Wie versuchst du beides unter einen Hut zu bringen?

Was die Vereinbarkeit betrifft, hilft mir vor allem eines: Ich mache meine Arbeit wirklich gerne – so sehr, dass sie sich für mich oft gar nicht wie „Arbeit“ anfühlt, sondern eher wie eine sinnvolle Tätigkeit, die mir Spaß macht. Klar, Pausen und Freiräume sind wichtig, aber wenn man für ein Thema brennt, ist es völlig okay, auch mal abends oder am Wochenende ein paar Stunden ins Forschen zu investieren.

Worum geht es in deiner Forschung?

In meiner Forschung setze ich mich kritisch mit Erlebnisräumen in Japan auseinander. Besonders interessiert mich dabei die Bedeutung von Konsum – exemplarisch untersuche ich dies anhand ausgewählter Destinationen, wie etwa der Themengastronomie. Gleichzeitig beschäftige ich mich mit dem Zusammenspiel von Erlebniskonsum und digitalen Räumen, zum Beispiel am Fall der Social-Media-App BeReal.

Wie kamst du zu dem Thema?

Schon seit längerem beschäftige ich mich in literarischen Arbeiten mit Kritik am Konsumverhalten zeitgenössischer Gesellschaften. Auch im Studium habe ich daher meist Themenbereiche gewählt, in denen ich mein Wissen über Konsumformen und deren Einflüsse erweitern konnte. Vor allem der Einfluss von Konsumverhalten auf zwischenmenschliche Beziehungen hat mich dabei immer gereizt. In Japan, vor allem in Tokyo, gibt es nahezu endlose Ausgehmöglichkeiten – und beinahe alles wird in einen Konsumrahmen eingebettet. Diese Beobachtungen haben mich damals in Japan stark zum Nachdenken angeregt. Daher begann ich mich zunehmend für Themenräume wie Themenparks und Themengastronomie zu interessieren.

Themenpark Fuji-Q Highland (links) und ein Café im koreanisch geprägten Shin-Okubo in Shinjuku (rechts):

Was macht dir beim Forschen am meisten Spaß?

Die stetige Horizonterweiterung. Selbst bei Themen, bei denen man sich bereits sehr fundiertes Wissen angeeignet hat, eröffnen sich immer wieder neue Perspektiven, die es zu entdecken lohnt.

Was war dein schönstes Erlebnis während dieses Jobs?

In meinem Job erlebt man natürlich durch Forschung, Dienstreisen und den Unialltag so einiges. Schöne Dinge, lustige Momente und gelegentlich auch Kurioses. Doch statt das eine schönste Erlebnis herauszupicken, möchte ich eher das nennen, was meine Tätigkeit für mich am meisten bereichert: Es ist unglaublich erfüllend, die Entwicklung von Studierenden mitzuerleben und sie auf ihrem Weg durch die verschiedenen Etappen des universitären Lernens zu begleiten. Manche von ihnen habe ich bereits in den ersten Semestern in den Blockkursen kennengelernt und später im fortgeschrittenen Semester auch in den Themenmodulen unterrichtet. Dabei sieht man, wie sehr sie im Umgang mit wissenschaftlichen Texten gewachsen sind – und wie sie auch persönlich gereift sind. Das mitzuerleben, empfinde ich als etwas ganz Besonderes.

Kannst du deine Forschung in drei Worten zusammenfassen? Sei es inhaltlich, oder auch die Gefühle, die damit verbunden sind?

Erleben, Hyperkonsum, Illusion.

Was sind deine Aufgaben im Mittelbau?

Neben meinen Lehrtätigkeiten bin ich unter anderem für den Modernes Japan Weblog zuständig und fungiere als Tutorienbeauftragter. In letzterer Rolle verantworte ich die Auswahl, Einstellung und Betreuung der Tutor*innen. Das ist eine abwechslungsreiche und auch unterhaltsame Aufgabe, da man die Tutor*innen bei ihren ersten Lehraufgaben und -erfahrungen begleitet und sie fernab ihrer gewohnten Studierenden-Rolle erlebt (Übrigens: Aktuell sind wieder Tutor*innenstellen ausgeschrieben, wenn sich also jemand berufen fühlt, darf man sich gerne bewerben).

Zusätzlich organisiere ich aktuell mit meiner Kollegin Ramona Rosalewski den anstehenden Berufs-Infotag Mitte Juni und bringe mich in verschiedenen Kommissionen rund um Prüfungsmodalitäten ein, wenn diese anstehen. Außerdem bin ich Mitglied der Auswahlkommission für die Japan-Austauschplätze: Das bedeutet für mich jedes Semester die Forschungsvorhaben und Bewerbungen durchzuarbeiten und an den Auswahlverfahren teilzunehmen.

Aufgrund deiner aktuellen Vollzeitstelle gibst du dieses Semester zwei Lehrveranstaltungen. Was findest du daran herausfordernd und was macht dir Spaß?

Ich genieße die Arbeit am Institut nach wie vor sehr. Besonders die Lehre und der Austausch mit den Studierenden macht mir großen Spaß. Auch wenn man sich zu Beginn wohl nicht ausgemalt hat, wie zeitaufwendig dieser Bereich der Arbeit sein kann. Manchmal ist es daher ein bisschen mühsam, für die eine oder den anderen Studierenden mitzudenken und regelmäßig an organisatorische Dinge oder Fristen zu erinnern. So muss sich meine Mutter gefühlt haben, als ich fünf Jahre alt war. Allerdings liegt meine Studienzeit ja auch noch nicht allzu lange zurück, weshalb ich dann den Gedächtnissen der jungen zerstreuten Studis gern mal wieder auf die Sprünge helfe (lacht).

Was schätzt du am MoJa-Institut am meisten?

Ich schätze das freundliche und lockere Miteinander am Institut sehr. Besonders in den Mittagspausen entwickeln sich oft die wildesten Gesprächsverläufe: Von hochseriösen wissenschaftlichen Debatten bis hin zu den Diskussionen über die beste Kartoffelsorte und spekulative Alternativszenarien, in denen die Unigänse heimlich an einem Masterplan zur Weltherrschaft tüfteln – Campusübernahme inklusive. Solche kreativen Gedankenspiele sind nur einer von vielen Gründen, weshalb ich die Arbeitsatmosphäre am Institut als sehr angenehm und inspirierend empfinde.

Du hast ja bereits in Japan gelebt, aus welchem Grund und wie lange?

Während meines Bachelor-Studiums habe ich zunächst ein Auslandsjahr an der Bunkyo-Universität in Saitama absolviert und später ein Praktikum bei einem deutschen Medizintechnikunternehmen in der Nähe von Osaka gemacht. Nach dem Abschluss bin ich – wie bereits erwähnt – zum Arbeiten wieder nach Tokyo zurückgekehrt. Besonders prägend war für mich dort die Zeit in der Filmproduktionsfirma, vor allem aufgrund der vielfältigen Aufgabenbereiche.

Was genau hast du bei dem Unternehmen gemacht?

Wir haben überwiegend Werbe- und Musikvideos produziert. Da unser Unternehmen viele Projekte (aber wenig Mitarbeiter) hatte, war man in alle Entwicklungsschritte involviert und konnte sich auf vielen Ebenen des kreativen Schaffens einbringen – was ich als sehr erfüllend empfand. Dem Konsumkritiker in mir fielen dabei natürlich auch diverse Dinge auf, sodass der Wunsch wuchs, sich mit bestimmten Beobachtungen wissenschaftlich und kritisch auseinandersetzen.

Kannst du uns einen Fun Fact, einen Geheimtipp, ein Must Have oder Must Do in Japan nennen?

Empfehlen könnte ich vieles: Meine Lieblingsdestination in Japan, Enoshima, zum Beispiel. Dabei handelt es sich um eine bergige Halbinsel an der Küste von Kanagawa, die eine Tempelanlage beherbergt und mit seinem Strand einen idealen Ort für Angler, Schwimmer und Surfer bietet. Und das sagt jemand, der eigentlich eher zur Fraktion „Berg statt Brandung“ gehört. Enoshima schafft es aber mit seiner einzigartigen Mischung aus Küstenflair, Natur und kulturellen Highlights selbst mich als bekennenden Meeres-Skeptiker zu begeistern.  

Wer es hingegen lieber musikalisch mag, dem lege ich Tokyos Musikbars und -cafés ans Herz. Während meines Studiums an der Bunkyo-Universität habe ich so einige Abendstunden in einer lokalen Jazzbar verbracht – was harmlos begann, endete in einer ernsthaften Jazz-Leidenschaft. In und um Tokyo gibt es in dieser Hinsicht eine wahre Schatzkiste an Klangwelten zu entdecken – von smooth bis schräg ist alles dabei.

Könntest du dir vorstellen, langfristig in Japan zu leben? Warum?

Der Mirco im Alter von Anfang 20 hätte mit einem konsequenten ‚Ja‘ geantwortet. Da ich aber inzwischen schon zwei Mal in Japan gelebt habe, ist es nicht mein absolutes Ziel. Ob ich künftig noch einmal längere Zeit in Japan leben möchte, würde ich daher eher von den beruflichen und privaten Gegebenheiten abhängig machen – sollte ich eines Tages vor dieser Entscheidung stehen.

Was machst du als Erstes, wenn du wieder in Japan bist?

Das ist eine gute Frage! Ich würde sicher als Erstes mein Patenkind besuchen und mir anschließend seinen Vater (ein enger Freund von mir) schnappen, mit ihm einen ausgiebigen Onsen- und Izakaya-Besuch einlegen und zusammen die ganze Nacht K-Pop Songs beim Karaoke singen. Wenn mein Patenkind irgendwann alt genug ist, darf es natürlich mit – vorausgesetzt, es hält die Gesangseinlagen durch (lacht).

Was würdest du MoJa-Studierenden raten, die sich für eine wissenschaftliche Karriere interessieren?

Legt euch genug Spotify-Playlists an, damit ihr immer genug Musikvariabilität im Repertoire habt, die euch durch die vielfältigen Höhenflüge und Rückschläge der wissenschaftlichen Karriere tragen können. Und abgesehen davon ein Rat, der universal im Leben gelten sollte: Geht mit einem Lächeln und einer positiven Einstellung durchs Leben und nehmt euch Zeit für eure Mitmenschen. Das macht vieles leichter – auch ohne Playlist.

Ein Interview mit Mirco Heller.