Austausch und Japanaufenthalt, Studierendenberichte

Auslandsaufenthalt an der Tsukuba-Universität – Ein Bericht von Alida Tendahl

Ihr spielt mit dem Gedanken ein Auslandsjahr in Japan anzutreten? Bevor ihr euch aber entscheidet, möchtet ihr gerne ein paar Erfahrungen von Studierenden hören und euch über mögliche Herausforderungen und bevorstehende Eindrücke bei so einem Auslandsstudium informieren? In diesem Interview-Beitrag berichtet uns die Bachelorstudierende Alida Tendahl freundlicherweise über ihre Zeit an der Tsukuba-Universität:

Wie liefen für dich die ersten Wochen nach Ankunft in Japan ab? Was erleichterte oder erschwerte für dich die Eingewöhnung vor Ort?
Die erste Woche war ein Wechselbad der Gefühle. Ich hatte mich wahnsinnig drauf gefreut, endlich wieder in Japan zu sein (Ich war mit 15 schonmal für ein Jahr drüben), aber genauso stark habe ich meine FreundInnen in Deutschland vermisst. Tsukuba – obgleich ich mich bewusst für die Stadt entschieden hatte – wirkte erstmal wie ein kleines Dorf, bei dem ich mir nicht sicher war, ob ich mich dort ein Jahr lang wohlfühlen würde. Erleichtert wurde mir die Ankunft und die Eingewöhnungsphase dann jedoch durch meine Freundinnen aus der Schulzeit, die sich mit mir getroffen haben und zwei Freundinnen aus Deutschland, die mit mir die vielen neuen Eindrücke geteilt haben.

Was gefiel dir an deiner Austauschuniversität und was gefiel dir eher weniger?
Eigentlich hat mir die Tsukuba Universität wirklich gut gefallen. Die Sprachkurse waren, für mich persönlich, fordernd und unterhaltsam und es war vergleichsweise einfach Anschluss zu finden. Der Campus ist groß und übersichtlich aufgeteilt und da die Austauschstudierenden in der Nähe des Campus leben, konnte ich ein Jahr lang das ungewohnte Gefühl genießen, nur fünf Minuten zur Uni zu benötigen. Das Essen in den Mensen war auch lecker!

Das Bild zeigt den Bahnhofsvorplatz in Tsukuba.

Welche Kurse hast du an deiner Austauchuniversität besucht?
Ich bin in dem Jahr überwiegend einem Interesse nachgegangen, für das MoJa leider noch nicht allzu viele Kurse anbietet: Literatur! Eine sehr nette Professorin, Eguchi Maki, hat immer sehr pro-aktiv ausländische Studierende in ihre Kurse aufgenommen und somit hatte ich das Jahr über Gelegenheit, Dinge über Animal Studies in und die Übersetzung von japanischer Literatur zu lernen.

Wie bist du mit dem Japanisch-Niveau in den Kursen zurechtgekommen? Konntest du deine Japanisch-Kenntnisse im Alltag gut anwenden?
Da ich mit anderen Japanisch-Vorkenntnissen ins MoJa Studium gegangen bin als wohl die Mehrheit, kann ich persönlich nicht beurteilen, wie gut die Kurse nach SM4 zu bewältigen sind. Für mich persönlich waren die Sprachkurse jedoch perfekt ausgelegt. In den normalen thematischen Kursen war es zwar teilweise noch etwas anstrengend zuzuhören, aber nach einem Semester bin ich gut drin gewesen und hab mich sogar immer drauf gefreut, neue Vokabeln zu lernen.

Hast du irgendwelche Schockerlebnisse oder negativen Erfahrungen in Japan gemacht?
Es war nichts Schreckliches, aber ich bin dem Kyūdō Club beigetreten, worauf ich mich sehr gefreut hatte. Mir wurde allerdings schnell bewusst, dass ich in dem Club keinen Anschluss finden würde. Am Ende bin ich nicht mehr zum Training gegangen, da ich eh die meiste Zeit alleine war und kaum mit jemandem reden konnte. Das lag aber sicherlich nicht nur an den japanischen Mitgliedern, sondern auch an mir.

Gibt es einen Ort in Japan, wo du besonders gerne hingegangen bist oder den du empfehlen möchtest?
Fukuoka! Das kommt jetzt wahrscheinlich unerwartet, weil es so weit weg ist, aber ich war das erste Mal da, obwohl ich schon ewig hin wollte. Ich kannte dort auch jemanden, was den Kurztrip (naja, „kurz“; es waren fünf Tage) noch mehr versüßt hat.
Ich möchte aber auch allen einen Tagestrip nach Tsukuba empfehlen! Der Berg ist in jeder Jahreszeit ganz schön und oben am Gipfel gibt es ein Hotel mit Onsen. Ansonsten gibt es ein Kunstmuseum und ein kleines Naturkunde-Museum mit Planetarium. Auch die Japanese Space Agency (JAXA) hat ihren Hauptsitz in Tsukuba und bietet Führungen an. Von Tokyō aus kommt man übrigens in circa einer Stunde nach Tsukuba.

Ein Bild von der Reise nach Fukuoka.

Gibt es etwas, das du während deiner Zeit in Japan aus deiner gewohnten deutschen Umgebung vermisst hast? Zum Beispiel etwas Bestimmtes zu essen?
…mein gutes, deutsches Kopfkissen. (Lach) Mein Kopfkissen im Wohnheim war ein Stein und hat mir, sprichwörtlich, Kopfschmerzen bereitet. Aber sonst? Hmmm, nicht wirklich. Ich bin etwas seltsam, denn ich mag japanisches Brot viel lieber als deutsches. Eigentlich ist es umgekehrt: Ich vermisse mittlerweile japanisches Essen.

Neben der Gelegenheit deiner Japanisch-Kenntnisse praktisch anzuwenden, bist du auch für dein Bachelorarbeitsvorhaben nach Japan gegangen. Was genau ist dein Forschungsthema?
Ich habe zum Überthema LGBTQ + geforscht. Meine ursprüngliche Fragestellung war: Wie verstehen und definieren Mitglieder eines universitären LGBT+ Zirkels ihre sexuelle bzw. geschlechtliche Identität? Das hat sich dann als so semi-sinnvoll herausgestellt, da ich zwar LGBTQ+ Gruppen beitreten konnte, mehr als die Hälfte meiner Interview-PartnerInnen selbst nur Allies waren. Ich habe trotzdem sehr aufschluss- und umfangreiche Interviews führen können und bin gespannt, was sich da in Zukunft so draus ergibt.

Gab es Hürden, die du bei der Umsetzung deines Forschungsthemas überwinden musstest?
Erstmal Interview-PartnerInnen zu finden war wohl die größte Hürde. Ich hatte zuvor Recherche betrieben und rausgefunden, dass die Tsukuba Universität einen LGBTQ+ Zirkel hat, der noch aktiv zu sein schien. Dem Zirkel habe ich mich dann ein paar Monate nach meiner Ankunft angeschlossen und hab mich tatsächlich ziemlich gut mit den Mitgliedern angefreundet. Meine ersten GesprächspartnerInnen habe ich aber tatsächlich in einer Art Safe Space-Workspace gefunden, der von dem Diversitätsbüro der Uni eingerichtet wurde. Es war also vergleichsweise einfach, an der Tsukuba Universität die geeigneten Orte zu finden. Was dann gedauert hat war, eine persönliche Beziehung aufzubauen, bis ich das Gefühl hatte, ich kenne die Personen gut genug, um sie um ein Interview zu bitten.

Abschließend möchte ich dich fragen, wie bewertest du den Entschluss für das Auslandsjahr für dich persönlich? Inwieweit hat es dich deiner Meinung nach in der persönlichen Entwicklung vorangebracht?
Mir hat das Auslandsjahr vor allem in der Hinsicht geholfen, dass sich meine Persönlichkeit stark entwickelt hat. Ich lebe auch in Deutschland allein und bin Selbständigkeit gewohnt, aber im Ausland allein zur Bank zu fahren oder ganz neue Verkehrssysteme zu erkunden nimmt einem schnell die Angst vor unangenehmen Fragen und Fehlern.
Zudem habe ich einen Senpai gehabt, der mir viel von seiner Forschungstätigkeit berichtet hat und mich damit motiviert und inspiriert hat, selbst in die Wissenschaft zu gehen. Hätte ich nicht so viel mit diesem Senpai zu tun gehabt, hätte ich es mir mit dem geplanten Masterstudium wahrscheinlich noch einmal anders überlegt.

Vielen Dank für das Interview, es freut mich zu hören, dass du eine schöne und produktive Zeit in Japan hattest. Nun wünsche ich dir viel Erfolg im weiteren Studienverlauf und bei den anstehenden Aufgaben bei der Fertigstellung deines Bachelorprojekts.

Ein Interview mit Alida Tendahl (Auslandsjahr an der Tsukuba-Universität).