Fachschaft, iroiro – Diverses

Pressespiegel: Deutschland und die Katastrophe in Japan

Es wurde viel darüber diskutiert, welches Bild von Japan angesichts der Katastrophe in den deutschen Medien verbreitet wird. Viele Artikel und Fernsehbeiträge zeugten davon, dass das Verständnis der japanischen Kultur sich auf wenige Stereotype beschränkt. So war zum Beispiel von „20 Kamikaze gegen die Höllenmaschine Fukushima“ die Rede (Die Welt, 17.3.), von dem „unglaublichen Volk“ (Stern-Titel, 24.3.), es wurde festgestellt, dass „die Menschen in Tokio auf ihr geliebtes Sushi verzichten“ müssten (Spiegel Online, 22.3.) und als kulturelles Muster zum Verstehen der derzeitigen Lage wurden die Gozilla-Filme anempfohlen: „Wer die Duldsamkeit und Ruhe der Japaner im Umgang mit der gegenwärtigen Katastrophe begreifen will, sollte sich die Monsterfilme dieses Landes anschauen.“ (Die Zeit, 17.3.)

Viele Fachleute sehen in dieser stereotypen Berichterstattung eine Gefahr für die deutsch-japanischen Beziehungen. Prof. Dr. Reinhard Zöllner (Universität Bonn) brachte seine Empörung in einem Artikel in der Welt zum Ausdruck (28.3.), den er sehr deutlich folgendermaßen betitelte: „Apokalypse jetzt! Wir Deutschen sollten uns schämen.“ In dem Seminar zu den deutsch-japanischen Beziehungen, das Stephanie Klasen und ich dieses Semester geben, haben wir uns diese Berichterstattung Anfang des Semesters etwas genauer angesehen, wollten gemeinsam mit den Studierenden aber auch versuchen herauszufinden, ob sich bereits erste Anzeichen dafür finden lassen, wie das „deutsche Verhalten“ in der jetzigen Situation in Japan aufgenommen wird.

Hierfür haben wir die beiden japanischen Zeitungen Yomiuri Shinbun und Asahi Shinbun nach Artikeln durchsucht, die über das Erdbeben im Zusammenhang mit Deutschland berichten (Auswertung bis 28. März). Dabei fiel auf, dass dem Thema der deutschen Atompolitik, den damit in Zusammenhang stehenden Demonstrationen und der Wahl in Baden-Württemberg die ausführlichsten Artikel gewidmet wurden. In einem eigenen Artikel wurde erwähnt, dass deutsche Autobauer Teile, die aus Japan geliefert werden, auf Strahlenbelastung überprüfen lassen. Themen waren außerdem, dass Deutschland seine Botschaft nach Osaka verlegte und dass die Lufthansa den Flughafen Narita nicht mehr anflog.

Immer wieder tauchte in den Berichten eine Pumpe aus Deutschland auf, die von der deutschen Firma „Putzmeister“ gestellt wird und helfen soll, die Lage in den Atomkraftwerken unter Kontrolle zu bringen. Überraschend prominent wurde über die Reaktion von deutschen Fußballvereinen berichtet, die ihr Mitgefühl zum Ausdruck brachten und teilweise Benefizspiele organisierten. Erwähnung fanden auch der Kondolenzbesuch Angela Merkels in der japanischen Botschaft und das Sonderkonzert der Düsseldorfer Symphoniker in der Tonhalle. In zwei Artikeln, die weiter unten in Übersetzung vorgestellt werden, wurden auch die Reaktionen der deutschen Presse thematisiert. Der Einsatz des THW wurde nur am Rande erwähnt, in Artikeln in denen insgesamt über die Hilfe durch ausländische Kräfte berichtet wurde. Deutschland war außerdem in einigen persönlichen Erfahrungsberichten präsent, die ebenfalls in den Zeitungen abgedruckt wurden. Da berichtete zum Beispiel eine japanische Austauschstudentin, die sich derzeit in Deutschland befindet, über ihre Gefühle, oder ein Japaner, der in München die Tschernobyl-Katastrophe miterlebt hatte, erinnerte sich an seine Erfahrungen.

Zwei der Artikel wurden von Master-Studiereden (zum Teil ausschnittsweise) übersetzt und können daher hier wiedergegeben werden:

 

Yomiuri Shinbun, 17.3.2011 (Ausschnitt)

„Die Krise in Japan“ – Die Welt ist aufmerksam

[…]

In Deutschland fallen übersensible Nachrichtensendungen ins Auge, die den Atomunfall von Fukushima als „Wiederkehr von Tschernobyl“ bezeichnen oder die nun wieder Fernsehbilder von der Katastrophe in Tschernobyl zeigen.

Am 16. März hatte Die Welt als Top Thema „Tokyo in Todesangst“*. Im Artikel wurde davon berichtet, wie Frauen, Kinder und Ausländer aus der Hauptstadt flüchteten und die Regale in großen Supermärkten durch Hamsterkäufe geleert worden waren. […]

Im Leitartikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wurde am 16. März getitelt: „Absichtliche Manipulation von Informationen hat in Japan Tradition“**. Es wurde darin unter anderem die Vertuschung bei einer Rückrufaktion von Mitsubishi in der Vergangenheit angeführt und es wurde kritisiert, dass mit Tepco in der jetzigen Situation „die Verschweige-Taktik in Japans Unternehmen einen dramatischen Tiefpunkt erreicht“ habe. Darüber hinaus wird sogar ein einseitiges Urteil über die Wesensart des japanischen Volk abgegeben: „Viele Japaner […] [haben den Grundsatz:] Nichts hören, nichts sehen, nicht sagen, Gesichtswahrung ist alles, der Preis dafür scheint fast egal zu sein […].“

In einer Sendung des öffentlichen Fernsehsenders ARD wurde ein junger Deutscher, der schnell aus Japan zurückgereist war, dazu befragt, weshalb die Japaner nicht in Panik ausbrächen: „Die japanischen Medien vermitteln nicht die Wahrheit. Ausländer, die Zugang zu ausländischen Medien haben, fliehen (weil sie die richtigen Informationen erhalten haben) nach Süden oder verlassen das Land.“

* hier nachzulesen

**hier ist dieser Artikel gemeint, der allerdings am 15. März erschienen ist. Der Satz „absichtliche Manipulation von Informationen hat in Japan Tradition“ findet sich dort so nicht, die anderen Zitate sind aber klar identifizierbar.

 

Yomiuri Shimbun, 17.03.2011

Deutschland: Misstrauen gegenüber der japanischen Regierung

Berlin: Es fiel in letzter Zeit auf, dass von deutscher Seite aus die Explosion des Atomkraftwerkes Nr. 1 in Fukushima und die Feuerschäden betreffend Misstrauen in den Nachrichten vorherrscht.

Die Hilfsorganisation „humedica“ holte am 14.3. eilig ihr fünfköpfiges Team aus dem Krisengebiet. Der Pressesprecher Steffen Richter äußerte sich gegenüber den Medien wie folgt: „Die japanische Regierung verbirgt und unterschätzt die Fakten. Es erinnert an den Atom-GAU von Tschernobyl.“* Kanzlerin Merkel wiederholte in einem Interview mit Journalisten: „Die Informationen aus Japan widersprechen sich.“ Regierungssprecher Seibert erklärt in einer regulären Pressekonferenz zwar „Wir haben Verständnis angesichts dieser verheerenden Sachlage. Dies ist keine Kritik an der japanischen Regierung“, aber es herrscht kein Zweifel, dass sich unter der Regierung Irritation breit macht bezüglich der japanischen Vorgehensweise.

Es wurde die Frage laut, warum die Japaner, wo sie doch die Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki erfahren haben, ein Atomkraftwerk an so einer gefährlichen Stelle errichteten.

*Der deusche Wortlaut: „Das größte Problem ist die schlampige Informationspolitik der japanischen Regierung, die die Fakten verschleiert und herunterspielt. Das erinnert an Tschernobyl.“

Vielen Dank an: Katharina Hülsmann, Slim Klai, Lara Pecelin, Annika Raue

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